Karfreitag im Elsass – irgendwie tierisch

Die Sonne in Freiburg täuschte: Ringsum regierte der Dunst an diesem Tag, auch im Elsass, wohin es mich heute zog.

Ich versprach mir viel heiter-kitschigen Osterschmuck, wie es ihn nur im Elsass gibt, und erwartete Spaziergänger in den Gassen der Dörfer, doch stieß ich auf fast gähnende Leere, bei 7 bis 8 Grad.

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Bisweilen waren zwar frische Spuren von Leben zu erkennen, hier ein Reh, das versonnen-verträumt aus dem schmutzigen Fenster schaut…

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… oder Anzeichen menschlichen Dasein, wie bei Frau Holle, aber sonst war so gut wie nichts los, weder in Westhalten noch in Soultzmatt noch in Gueberschwihr.

Überhaupt gab sich die elsässische Weinstraße zugeknöpft, selbst zwischen den Reben an den Sonnenhängen grünte es noch kaum. Auch die Häuser waren nicht so geschmückt wie in anderen Jahren (oder ich war einfach in den falschen Orten).

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Selbst das Jesuskind schaut etwas gequält aus. Aber das liegt nur an der Fotoperspektive, duch die eine Hand zu Gesichtszügen mutierte (unbeabsichtigt, ich sah es erst am PC)!

Weil niemand unterwegs war, fiel ich auch auf: Wenn ich mein Auto irgendwo parkte, schaute schon mal jemand neugierig aus dem Fenster und eine Frau in einer Hofeinfahrt beobachtete mich Eindringling misstrauisch. Drei junge Leute hingegen, die mir in einer sehr schmalen Gasse hinter einer Kurve begegneten, ließen ihre Gespräche verstummen und grüßten mich mit einem freundlichen „bonjour“. Tja, das wäre in Deutschland nicht passiert bei dieser Altersgruppe.

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Hier und da fand ich dann doch die typischen Osterdekorationen.

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Aber manche erschienen mir etwas hingepfuschter als gewöhnlich.

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Wobei das Tpyische doch da war, denn wo sonst außer im Elsass gibt es solche Farbkombinationen von Lavendel-Häuserfassaden mit in allen Tönen leuchtenden Ostereiern?!

Wenn schon wenige Menschen sich nach draußen trauten, so doch eine aufgeschlossene hübsche Katze, die sich sofort maunzend auf mich stürzte, nachdem ich sie angesprochen hatte, und nicht mehr von mir abließ. Als ich in die Hocke ging, um sie zu streicheln, sprang sie auf meinen Schoß. Die Haltung wurde mir nach einer Weile zu unbequem und ich stand auf, um eine Sitzmöglichkeit zu suchen. Da war ja eine Bank in der Nähe und ich steuerte darauf zu, die Katze immer eng am Bein.

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Kaum saß ich, sprang sie hinzu und machte es sich gemütlich auf meinem Schoß. So saß ich da, auf der schmutzigen Bank, und kraulte das weiche Fell und es gefiel uns beiden. Nach einer Weile beschloss ich, weiterzufahren, was meine Besetzerin überhaupt nicht goutierte. Ich dachte, beim vorsichtigen Aufstehen würde sie abspringen – denkste! Ich musste sie regelrecht von mir lösen, was sie mit lautem Protest quittierte.

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Anschließend versuchte sie, mich an meinem Gürtel festzuhalten und wieder auf die Bank zu zerren, was ihr jedoch nicht gelang.

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Auf dem Weg zum Auto ging sie der Straße entlang neben mir her wie ein Hund. Nur weil ein Fahrzeug entgegenkam und sie zurückblieb, schaffte ich es unbehelligt in mein Auto. Es folgte eine Fahrt mit Hindernissen, mit Verfahren und ausschweifenden Umleitungen, fast hätte ich die Orientierung verloren.

Als ich das Hinweisschild nach Gueberschwihr sah, bog ich im letzten Moment ab. Dort war ich ja schon seit zig Jahren nicht gewesen, ich erinnere mich an ein dort verbrachtes Dezemberwochenende zu zweit in einer kuscheligen Ferienwohnung. Das Haus und selbst die Straße fand ich nicht wieder, überhaupt kam mir der Ort nur zum Teil bekannt vor.

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Beim Gang durch die Kopfsteinpflastergassen hallten meine Schritte extrem laut, so kam es mir jedenfalls vor und ich fühlte mich wie eine Ruhestörerin. Zu allem Unglück flog mir dann dort auch noch eine kleine Fliege oder ein anderes Insekt in den Hals, ich hatte wohl kurz die Nasenatmung vergessen.

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Dahinten ungefähr muss es gewesen sein. Das Tier wollte nicht wieder raus und fortan dachte ich daran, worauf es wohl vorher gesessen, womit es sich wohl vorher ernährt haben mochte und mir war, sehr untypisch für mich, nach einem Schnaps zur inneren Desinfizierung, bevor das Tier aus der Luftröhre in den Magen gelangen würde.

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Doch keine der ausgeschilderten Winstubs, kein Café, kein Restaurant hatte geöffnet.

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Selbst die Winzer hatten ihre Behausungen geschlossen.

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Und sogar die Bäckereien waren verrammelt – und das in Frankreich!

Dabei hatte ich vorgehabt einzukehren, denn mein Magen hatte schon laut geknurrt, vor der feindlichen Invasion jedenfalls. Da, ein Mensch, jedenfalls bewegte er sich ähnlich, er wusch sich die Hände in einem Brunnen. das Wesen trug eine zweite Haut aus knallbunten Farben und hatte ein Fahrrad dabei. Ich fragte den Mann, ob er zufällig ein Kaugummi oder ein Bonbon für mich hätte, doch nachdem ich die Frage wiederholt hatte – er musste erst seine Ohrstöpsel rausnehmen – antwortete er bedauernd, er hätte nichts dabei.

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So stolperte ich weiter durch die Gassen und hatte kaum mehr einen Blick für Details, denn die Fliege beschäftigte mich. Auf dem Weg durch die Dörfer fand ich dann auch keine Winstub oder kein Café mehr und so kaufte ich mir an der Grenze bei Breisach eine Cola in der Hoffnung, die Flüssigkeit sei tatsächlich fleischfressend.

Als ich zuhause die Fotos anschaute, stellte ich fest, dass die Katze um den Kopf herum überall weiße Punkte hatte. Ich vermute ziemlich stark, dass es sich um die Eier des Katzenflohs handelt. Na ja, seitdem juckt es mich überall, aber das wird Einbildung sein. Aber ansonsten geht es mir gut.

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27 Antworten zu Karfreitag im Elsass – irgendwie tierisch

  1. ts schreibt:

    Liebe rotewelt, als Katzianerin weiss ich, dass Katzenfloheier nicht einfach so sichtbar sind. Schön wär´s. Mach dir keine Sorgen. So schön die Bilder und Worte zu deinem kleinen Ausflug auch sind: es fehlt doch ein klitzekleinwenig das Grün des Frühlings. Kannst du da was drehen?

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    • rotewelt schreibt:

      Ich dachte auch, dass Katzenfloheier nicht einfach so sichtbar sind, doch im Internet fand ich Abbildungen, die genauso aussahen (vielleicht waren sie zu stark vergrößert). Aber egal, ich hatte selbst Katzen (wenn die auch nie Flöhe hatten oder ich habe das verdrängt) und streichle alle Viecher dieser Welt und noch nie sind Flöhe auf mich übergesprungen. Die Katze hat sich auch überhaupt nicht gekratzt, vielleicht hatte sie sich irgendwo weiße Teilchen eingefangen, jedenfalls war sie sehr süß! Am Grün kann ich leider nix drehen, war selbst enttäuscht…

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  2. Dina schreibt:

    🙂 So ein kurzweiliger Artikel! 🙂 Und eine megasüße Katze. Sie steht dir gut!
    Schöne Ostertage wünsche ich dir
    mit ganz lieben Grüßen
    aus dem Rheinland
    Dina

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  3. Boots & Bine schreibt:

    Toller Artikel! Die Katze hätte ich vermutlich mitgenommen … 😉

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    • rotewelt schreibt:

      Dankeschön an die Katzenbesitzerin! 😉 Ehrlich gesagt hätte ich die Katze auch am liebsten mitgenommen, ich dachte, falls sie freiwillig ins Auto steigt, dann… Andererseits kann man ja nicht einfach so Katzen stehlen und ihre Futtergeber unglücklich machen (sofern sie einen festen Wohnsitz hat, weiß man ja nicht, verhungert war sie nicht), andererseits könnte sie bei mir nicht raus, nur auf den Balkon und überhaupt will ich ja momentan möglichst flexibel sein… Aber ich möchte schon gern mal wieder eine Katze!

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  4. kormoranflug schreibt:

    Ja, das kann eine Last werden, ohne Familie, frei durch die Gegend zu streunen. Da passen die Katze und die restlichen Ereignisse gut.

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  5. Sofasophia schreibt:

    so viel ich weiss, werden katzenflöhe nicht auf menschen übertragen, dies mal zu deiner vielleichten beruhigung. die geschluckte fliege? ich vermute, dass die spätestens im magen aufgelöst worden ist. die magensäfte können so einiges.

    aber eben … der kopf weiss so sachen. wie wir auf gewisse dinge supersensibel reagieren, ist ja manchmal völlig irrational. ich bin auch so …

    dein text ist sehr stimmmig. mir gefällt, wie du uns mit nimmst. die katze gehört zu den aufdringlicheren ihrer art. fast unheimlich!

    schöne ostern wünsch ich dir von herzen, soso

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    • rotewelt schreibt:

      Das INet sagt, dass die Flöhe auch auf Menschen gehen, aber ich glaube inzwischen nicht mehr, dass da was war, ich hatte nur diese Momente, wie auch mit der Fliege, ja, du hast Recht, manchmal reagiert man ein wenig irrational, jedenfalls kennst du das auch… 😉
      Freut mich, dass dir der Text gefällt! Ja, die Katze war sehr aufdringlich, da ich sie aber mochte und sowieso an keiner Katze vorbeigehen kann, machte das nichts. Sie war sehr verschmust, auch verspielt und wild, aber dabei sehr sanft.

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  6. cablee schreibt:

    Rotewelt, dein Beitrag hat mir heute mal wieder gutgetan! Ich geh gern mit dir spazieren.

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  7. karu02 schreibt:

    Ein sehr schöner Spaziergang und eine schöne Katze. Sie ist so gepflegt, dass sie sicher zu einem Menschen gehört, auch die Zutraulichkeit spricht dafür. Ich wäre entsetzt, würde jemand einfach unseren Kater mitnehmen, der übrigens fast genau so aussieht. Die weißen Punkte sind die Nissen der Zecken. Als unser wild geborener Kater uns als sein Zuhause aussuchte, saß er auch voll damit.

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    • rotewelt schreibt:

      Ja, ich schrieb eben auch schon weiter oben, dass die Katze sicher jemandem gehört und natürlich würde ich es niemandem antun, sie einfach mitzunehmen, auch wenn ich das Tier sehr mochte – aber man weiß auch nicht, ob sie nicht doch auch ein neues Zuhause sucht… Ich hatte selbst auch mal eine schwarze Katze, allerdings mit weißen Pfoten und weißer Brust. So, das sind also Zeckennissen, danke für die Info aus berufenem Munde! Tja, Katzen streifen ja auch ständig durchs Gras, die Arme! Hoffentlich kümmern sich die Dosenöffner darum! Danke für dein Kompliment, karu!

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  8. richensa schreibt:

    Mal ein Kommentar ohne Bezug auf die Katze und ihre mutmaßlichen Bewohner:
    Ich war mit meiner Schwester in der vorletzten Woche auch im Elsaß und war in manchen Orten eher froh über die Ruhe, denn sie wirkte wie die Ruhe vor dem (Besucher-)Sturm. So konnten wir ab und zu plaudern, ohne dass die Bewohner genervt wirkten. An (fehlende) Osterdeko habe ich noch gar nicht gedacht, vermutlich hätte ich sonst „optisches Sodbrennen“ bekommen…
    Frohe Ostern mit und ohne Deko! 😉

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    • rotewelt schreibt:

      Ich schätzte die Ruhe auch sehr. Nur dass so gar kein Café und keine Winstub geöffnet hatte, fand ich schade. Zur Osterdeko: Als ich das erste Mal um die Osterzeit im Elsass war, traute ich meinen Augen nicht: Soviel putziges Getier etc. hatte ich noch nie gesehen! Klar ist das kitschig, aber ich fand es trotzdem liebenswert, ähnlich wie die üppige elsässische Weihnachtsdeko – es passt ja auch irgendwie zu den oft vielfarbigen Häusern; an manchen Orten sieht das Elsass aus wie eine überdimensionierte Puppenstube! Dir auch frohe Ostern – und ich habe dieses Jahr gar keine Deko außer etwas Blumigem in der Vase. 🙂

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    • rotewelt schreibt:

      PS: Oh, wie streng („mal ein Kommentar ohne Bezug auf die Katze“…). 😉

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  9. ehre9 schreibt:

    Madame se fait draguer par un beau matou au poil lisse et impeccable, conscient de sa beauté noire…haha… quelle aventure dans la nature !:=)))

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  10. haushundhirschblog schreibt:

    Endlich … Elsass menschenleer. Ich weiß nicht, wie oft wir uns das gewünscht haben. Wunderbarer Artikel, liebe rotewelt, danke dafür!
    Liebe Grüße dm

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