Wenn ihr musikalische Untermalung mögt, so hört und/oder guckt euch doch einfach zur Einstimmung oder als Begleitmusik zum Artikel Anna Prohaska an mit „Des Fischers Liebesglück“ aus „Sirènes“, ich mag ihre Stimme, ihre unaufgeregte unprätentiöse Art – und Schubert (na ja, Schumann auch oder sogar mehr, aber die Lieder…).
Während die Abendsonne den Bodensee gestern in goldenes Licht tauchte, ist die Morgensonne an diesem Spätoktobertag nicht zu sehen; See und Landschaft verstecken sich unter einer Nebeldecke.
Trotzdem gehe ich aus dem Haus, wenn ich schon mal hier bin, es ist schließlich mein erster Besuch der Bodenseeregion. Als ich aus meiner Ferienwohnung vor die Haustür trete, ist eine Frau in bunter Joggingkleidung damit beschäftigt, Stiefmütterchen in einen rechteckigen Kasten zu pflanzen, schön in Reih und Glied. Sie grüßt freundlich. Gegenüber kehrt ein Mann das Laub zusammen und kommt mir mit einem ebenfalls freundlichen Gruß zuvor. Es muss über Nacht Laub geregnet haben, denn Dach und Windschutzscheibe meines Autos sind durchgängig gelbrotbraun geschmückt.
Auch in den Nachbarstraßen wird gefegt, vor jedem Haus schwingt ein Mensch, Frau oder Mann, den Besen. Auch da, wo kein Laub liegt. Ach ja, ich bin ja noch in Baden-Württemberg, im allersüdlichsten Zipfel. Hier wird der Kehrwochenpflicht anscheinend sogar an einem festgelegten Tag zu einer festgelegten Uhrzeit nachgekommen – es wirkt wie ein Happening. Im nächsten Dorf sehe ich amüsiert das gleiche Schauspiel. Ansonsten ist kaum etwas los, nur ein paar Hausfrauen, dick vermummt, sind mit Einkaufstaschen unterwegs.
Ich selbst bin viel zu dünn gekleidet, wie ich beim Aussteigen am Bootsanleger in Allensbach feststelle. Doch zum Glück habe ich wenigstens noch eine etwas wärmere Cabanjacke mitgenommen. Das dünne Tuch wärmt den Hals kaum und das leichte Baumwollshirt darunter fühlt sich an wie nichts. Heute könnte man gut und gerne Handschuhe tragen! Wohin bin ich geraten, während in Freiburg die Sonne scheint und ich auf dem Balkon sitzen könnte…
Ach ja, Allensbach: Hier sind nicht nur die Demoskopen am Werke und zählen Menschen, hier gibt es auch viele Tierzüchter, überall stehen Schilder von Hasen- und Kaninchenvereinen und -events. Die vermehren sich ja bekannterweise ziemlich schnell, die Hasen. Ich frage mich, warum sich das Institut für Demoskopie ausgerechnet hier angesiedelt hat, in diesem ziemlich dörflichen Ort, der nicht einmal 7.000 Einwohner zählt (ich meine die Menschen).
Am See spaziert an diesem feuchtkalten Vormittag niemand außer mir entlang. Dafür ist im Wasser viel los. Vor dem Schiff „Gnadensee“ (so heißt der Untersee hier) hat sich eine große Gruppe von Möwen versammelt. Die Vögel stoßen unentwegt ihre lauten Schreie aus. Ab und zu erhebt sich ein Schwarm in die Luft, macht eine Drehung bis zum nächsten Steg und kehrt ebenso lärmend wieder zurück.
Erschien der See am Abend noch golden, ist er jetzt nur die ersten Meter überhaupt zu erkennen, kein Ufer nirgends. Die meisten Boote scheinen bereits Winterschlaf zu halten, ihre schützenden Planen sind mit Laub bedeckt.
Lautlos schwebt ein kleiner Kahn nah am Ufer vorbei. Jetzt muss ich an die Bodensee-„Tatorte“ mit Eva Mattes denken, die Stimmung eignet sich gut dafür und auch der Nebel ist praktisch, um jemanden im Boot hinauszufahren und verschwinden zu lassen, niemand würde es sehen.
Geisterschiffe…. Manche Boote wurden besetzt von blinden Passagieren, die sich hier zum Schlaf niedergelassen haben. Erinnerungen an Hitchcocks „Die Vögel“ werden wach.
Die Krähen hingegen dienen nur der Abwehr und können nicht fliegen.
Ich mag die alten Holzstege, ihre kaum sichtbare Silhouette ist auch im Nebel schön.
Während der sonnige Abend alle Konturen verstärkt und hervorgehoben hat, lässt der Morgendunst sie verschwimmen. Diese Morgenbilder sind weniger spektakulär, doch genauso magisch.
Der Nebel wird sich noch lange nicht lichten.
In meiner Ferienwohnung angekommen, passt mich eine Hausbewohnerin ab, eine dünne hektisch-eifrige alte Dame mit Hündchen: Ich sei doch die in der Ferienwohnung? Ja, dann wolle sie mir sagen, dass das Flurlicht nicht automatisch ausgeht. Manchmal müsse man das doch sagen. Ach so. Vielen Dank.
Seit gestern bin ich wieder zu Hause und fand das Kehrwochenschild an meiner Tür. Rechtzeitig ist alles Laub von den Bäumen gefallen, wie immer. Gern würde ich an den See zurück und die anderen beim Kehren beobachten. Aber nicht nur deswegen.
Und eine Mitbloggerin war auch gerade am Bodensee und hat ihn bei Licht gesehen:
Sehr schöne Bilder. Und ein ebenso angenehm zu lesendes Stimmungsbild.
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Danke dir, Emil. Die Stimmung einzufangen war auch gar nicht schwer.
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So ein „aus-dem-Ärmel-geschüttelt“–Text? Dann gelingt es mir auch, aber wenn ich es zwingen will, dann geht nix.
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Ja, so ziemlich, lach! Erzwingen kann man so etwas wirklich nicht, da gebe ich dir vollkommen recht!
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Ah, Nebel ist aber durchaus was für die Kamera –! Schöne Bilder.
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Ja, nicht? Die nasskalte Luft ging mir zwar bis an die Knochen, dafür eignet sich Nebel doch auch gut zum Fotografieren. Danke, Lakritze.
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Nebel und Stimmung bestens eingefangen und festgehalten, auch in Worten. toll gemacht. Ein wahrer Genuss fur Augen und Seele.
Es grüßt ganz herzlich
Dina
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Es war schon eine besondere Stimmung und ich bin froh, den See im Nebel gesehen zu haben. Danke und herzlichen Gruß zurück, Dina, nun nicht mehr aus der nebligen, sondern der roten Welt (na ja, sagen wir besser – der spätspätherbstlichen).
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Beinahe wären wir uns begegnet. Wir haben auf der Hinfahrt nach Italien dort übernachtet. Deine schönen Nebeleindrücke hätte ich auch haben mögen. Bisher begrüßte mich der See immer mit Dunst oder Regen. Diesmal gab es wenigstens einen schönen Morgen. Ich werde berichten. Danke für Deinen.
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Wann warst du denn dort, karu? Regen habe ich auch erlebt. Vielen Dank auch für deine Eindrücke vom See – bei LIcht, habe oben im Beitrag auch darauf hingewiesen.
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Pingback: Licht am Bodensee | Karu unterwegs
Ups, die letzten zwölf Fotos waren mir durchgerutscht.
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ein schöner Bericht vom Schwäbischen Meer ! Im Nebel sehe ich es durch dich zum 1. Mal 🙂
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Ach, da hat sich mein Besuch ja auch für dich gelohnt! 🙂
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deine Berichte lohnen sich immer zu lesen und deine Bilder dazu mag ich sehr ! 🙂
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Merci ins Elsass! 🙂
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Fantastische Fotos! Ich bin komplett begeistert, auch von deiner Art zu schreiben.
Ganz herzliche Grüsse😊
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Lieben Dank und herzlichen Gruß zurück! 🙂
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Du darfst dich glücklich schätzen – schöne, stimmungsvolle Impressionen und Du bist der geschwätzigen Gaby Hauptmann nicht in die Arme gefallen…
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Ja, ich war auch ganz angetan, Wassily. Gaby Hauptmann, wer ist das denn… 😉
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Liebe rotewelt,
das sind ganz exzellente Bilder, in die ich hier eintauchen darf. Sie fangen eine wunderbare Stimmung ein. Ein Hochgenuss für eine Herbstliebhaberin. Danke für diese Eindrücke!
Herzlich, mb
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Dankeschön, liebe mb. Ja, ich weiß, du liebst den Herbst – ich mag seine Farben und das Licht auch, sogar den Nebel. Aber jetzt beginnt die schwierige dunkle farblose Phase bald, daher macht mich auch der bunte Herbst schon melancholisch.
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das sind ganz wunderbare Fotos, ich habe jetzt davon abgesehen jedes zu kommentieren … du zeigst, dass in jedem Augenblick Schönheit wohnt, auch an einem Nebelmorgen … danke dafür
und die Kehrwoche … uh ja, aber die nehmen auch die Hessen sehr ernst und die Rheinland-PfälzerInnen … hier habe ich damit gar nix zu tun, gut so!
liebe Grüße vom heute leider grauen Berg …
Ulli
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Ganz lieben Dank, Ulli, und die Kehrwoche will ich mal vergessen, denn die meine ist ja noch nicht vorbei, obwohl ich schon Laub in Hülle und Fülle gekehrt habe, mit Blasen an den Händen! Antworte dir bald/morgen! Ganz lieben Gruß aus dem Tal! Ute
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oh weh, du Arme … haben sie denn in Fr keine Laubbläser? obwohl ich die ja, gelinde gesagt, nervtötend finde, aber für sone Stadt …
bis bald
herzliche Abendgrüße vom Berg ins Tal
Ulli
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Doch, liebe Ulli, die haben in Fr Laubbläser, direkt gegenüber und nebenan werden sie auch eingesetzt, doch nicht vor meiner Tür… Soeben sah ich, dass der Gehweg wieder voller Blätter ist, es stürmt wie verrückt. Also nochmal von vorn, immer erwischt es mich. 😦 Ich hasse Laubbläser, doch wenn man mir einen leihen würde…, lach!
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Falls ihr es mit musikalischer Untermalung mögt…, habe noch etwas hinzugefügt – gutes Genießen!
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Da auf dem Foto neben einem Boot ist eine Betonröhre zu erkennen und genau dort habe ich meine 2.Nacht direkt am See verbracht. So ein „Zufall“ das Du genau diese Stelle abgelichtet hast. Ich bin gerade im Lernstress, deshalb kommentiere ich erst wieder Mitte November weiter. Die liebe Zeit!
Liebe Grüße,
Kai ;o)
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Oh, was für eine gemütliche Unterkunft, hoffe, es ist nichts passiert und hast nicht gefroren… 😉 Aber ich finde die Betonröhre nicht, Kai. Komm gut durch den Lernstress! Liebe Grüße, rotewelt
PS: Ich glaub, ich hab’s. Sieht aber eng aus!
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Hmmm, gefroren habe ich nit … es war August 2013 bei meiner Wanderung und ziemlich hot. In der Röhre habe ich auch nicht geschlafen, sondern oben drauf. Die ankommenden Gäste vom Weinfest auf der Reichennau waren etwas nervig. Da sind so einige Flaschen zerdeppert worden …
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Viele Grüße, Kai ;o)
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Ah, bin beruhigt, wie konnte ich auf die Idee kommen, dass du in der Röhre zugebracht hast? 😉 Aber angeheiterte Weinfestbesucher waren bestimmt auch nicht lustig… LG rotewelt
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Die Poesie bahnt sich einen Weg durch den Nebel der alles verschönert und gleichzeitig dem Blick entzieht… nur schemenhaft zeigt die Wirklichkeit noch ihr Angesicht… alles andere verschwindet wie ein Traum!…Wunderschöne Aufnahmen zu dem Bericht, der viel Emotionen vermittelt!
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Schön formuliert… Ja, der Nebel an sich ist schon beinahe poetisch, dazu kommt die eigene Stimmung, die natürlich auch in die Bilder fließt. Danke dir für das Kompliment.
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