Köln – außen abweisend, innen herzlich

Köln… Rheinischer Frohsinn? Köln ist keine Stadt, die sich aufdrängt und einladend wirkt. Nur der imposante prächtige Dom drängt sich ins Blickfeld, schon bevor man den Bahnhof verlässt.

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Der Dom ist das Wahrzeichen, er ist die Stadt, so scheint es. Doch die „Domplatte“ wirkt so wie das Wort: kalt, grau, steril, erst recht bei grauem Himmel. Der Wind weht so eisig, dass ich meine in weiser Voraussicht umlegten zwei Schals beide festzurren muss.

Köln ist auch bei näherer Betrachtung so hässlich, wie ich sie bei meinen bisherigen zwei kurzen Stippvisiten in Erinnerung in Erinnerung hatte. Es gibt den Dom, die hübschen Altstadthäuser am Rheinufer und ein paar Jahrhundertwendebauten, etwa in Köln-Süd.

Aber der Rest der Stadt, die für ihre Zerbombung im Zweiten Weltkrieg nun auch nix kann, nimmt mich nicht für sich ein. Hier will ich genauso wenig tot überm Zaun hängen wie in Ludwigshafen, Offenbach oder sonstwo. Selbst Hannover ist schöner. Sowieso. Auch Frankfurt am Main, eine Stadt, mit der ich hadere. Köln aber geht gar nicht, trotz des Flusses. Furchtbar ist auch die Fu0gängerzone, ohne jeden Charme und jede Individualität. Schon wieder illusions perdues, denn ich will ja weg aus Freiburg.

Aber die Menschen in Köln (und auch in Düsseldorf, ja doch, sorry, im gesamten Rheinland), die sind so herzlich und einladend, man sagt, oberflächlich, denn am nächsten Tag würden sie einen nicht mehr kennen und wahre Freunde zu finden sei schwierig… Letzteres kann ich nicht beurteilen, ich war nur zwei Tage dort jetzt und noch kürzer früher. Aber was ich fand, war lächelnde Gastfreundschaft und nicht nur die auf den Werbeplakaten vor den Restaurants aufgestellten, sondern wahre, menschliche.

„Herzlich willkommen“ ist dort nicht nur ein mit Regionalstolz vorgetragener Trick wie in Freiburg, sondern ernst gemeint. Hier ist man nicht falsch, hier darf man sein und zwar wie man ist. Selbst wenn man kein Bier und keinen Karneval mag und also auch kein Kölsch trinkt. Man wird vom Wirt mit „Herzlich willkommen“ ins Restaurant gelockt und auch auch wenn man sagt, jetzt nicht oder vielleicht später, ist alles gut.

Im vom Hotel empfohlenen Restaurant – eigentlich eine Brauerei – war schon am frühen Sonntagabend kein Tisch mehr frei. Der Wirt jedoch spähte nach freien Stühlen aus und fragte an zwei von zwei Paaren besetzten Tischen, an denen je ein Platz frei war, ob ich mich dazu setzen dürfe. Beide Fraktionen bejahten und so war ich das fünfte Rad am Wagen, ohne mich so zu fühlen, wenngleich ich quasi in der Mitte saß: zwischen einem Paar über siebzig, über deren Leben ich so gut wie alles erfuhr, und einem lesbischen Paar über vierzig, das so gut wie nichts von sich preisgab, nur schaute mich der eine Paarteil immer so strahlend an, wenngleich ich doch so gar nicht in ihr Beuteschema zu fallen schien, verglichen mit ihrer Frau, die doppelt so groß und breit wie ich war und mit ihrem runden Gesicht und Kurzhaarschnitt wir ihr Sohn aussah. In Freiburg hätte der Wirt die anderen Gäste gewiss nicht gefragt und sie hätten sich auch demonstrativ desinteressiert abgewandt… Hier geht anscheinend alles und das gefällt mir.

Durch mein Dazukommen kamen auch die bisher separierten beiden Paare ins Gespräch und es war ein lustiger Abend! Kaum saß ich, fragte die weibliche Bedienung, die mich duzte, „Erstmal’n Kölsch?!“ Aber das war gar keine Frage, das war sowas wie eine vorausgenommene Bestellung, doch sie nahm es mir nicht übel, dass ich lieber Rotwein wollte, der hier aus der Pfalz und als Dornfelder daherkam, egal, er schmeckte, und sie machte den ersten Strich auf dem Bierdeckel, als sei es das erste Kölsch, die erste Stange, und bei den anderen Gästen wurden viele Striche und Kreuze gemacht. Ich aß Matjesfilets nach Hausfrauenart mit Bratkartoffeln und schaffte mein Essen nicht, doch war ich nicht die Einzige, selbst Riesenbabys kapitulierten vor Fleischbergen und ließen sich den Rest einpacken, auch ohne Hund.

Glücklich ging ich zum Hotel zurück, gut die Hälfte der Strecke begleitet vom älteren Ehepaar. Er, besonders gesprächig, hielt auf dem Weg oft an, um mir mitzuteilen, wo in jenem Viertel ehemals ein Metzger und ein Bäcker angesiedelt waren, auch versäumte er nicht, mir zu erzählen, wo seine Schwiegermutter (da, wo das runde Fenster ist, ist das Bad, und da, wo die Jalousien runtergelassen sind, die Küche) und seine Schwester gelebt hatten.

Es war wie in der Pfalz, nur noch „näher“ und lustiger und großstädtischer. So fiel ich satt und zufrieden ins Hotelbett. Und auch am nächsten Tag auf meiner kleinen Odyssee nach Köln Hürth/Efferen, was am Ende der Welt liegt, traf ich nur freundliche Menschen und sogar eine Begleitung bis fast vor die Tür der Firma, zu der ich musste. Eine andere warf extra in der Straßen-U-Bahn ihr Smartphone an, um die von mir gesuchte Straße zu suchen.

Fazit: Eine hässliche Stadt mit – zumindest auf den ersten Blick –  „schönen“ Menschen. Auch Hochzeitspaare und deren FotografInnen aus aller Herren Länder lockt der Rhein. Und abends findet der Hotelbesucher die Bibel in Sichtweite…

 

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10 Antworten zu Köln – außen abweisend, innen herzlich

  1. Sofasophia schreibt:

    klingt doch nach einem gelungenen ausflug trotz äusserer hässlichkeit? ich war noch nie in köln …
    suchst du einen neuen wohnort?

    (schön, dich hier mal wieder zu lesen!! danke für deine mail. antwort folgt bald!!!)

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    • rotewelt schreibt:

      Der Ausflug war zwar beruflich bedingt, aber ich hatte genug Zeit, mir die Stadt anzugucken und habe viel gesehen, insofern war es gelungen. Ja, ich suche nach einem neuen Wohnort, aber Köln kommt definitiv nicht in Frage. Danke für’s nette Willkommenheißen, Soso! 🙂

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  2. karu02 schreibt:

    Das hast Du gut beschrieben. Ich kann in vielem zustimmen.

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  3. traeumerleswelt schreibt:

    war nur einmal vor vielen Jahren kurz in Köln..quasi auf der Durchreise und habe ausser Dom und ein bissel Altstadt nicht viel gesehen…
    Schön wieder von dir zu lesen ! Freue mich ! 🙂

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    • rotewelt schreibt:

      Ich glaube, mehr – die Südstadt ausgenommen – muss man auch nicht sehen (ähm, sorry ihr lieben herzlichen Kölner, ihr seid wirklich klasse!). Danke auch dir, Träumerle, für deine freundlichen Worte, freue mich darüber. 🙂

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  4. Ulli schreibt:

    liebe rotewelt, mir gefällt sehr wie du köln beschreibst, als olle düsseldorferin ist es ja bekanntlich schwierig zwischen kölnerInnen und den versnobten düsseldorferInnen, aber das weiß ich nur vom erzählen … ich kenne diese herzlichkeit hüben, wie drüben und die, die ich kenne, ist ehrlich … diese ehrlichkeit allerdings kann auch ein fettnäpfchentanz sein, aber was ein/e echte rheinländerIn ist, lacht darüber … offen! ( und verprellt die schwaben … und manchen badenser auch 😉 )

    herzlichste grüße ulli – etwas spät, aber immerhin …

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    • rotewelt schreibt:

      Haha, die Kölner und Düsseldorfer können sich nicht leiden oder tun zumindest so und machen sich zum Teil einen Spaß darauf. Gut, bestätigt zu sehen von einer Ex-Düsseldorferin, dass die Herzlichkeit ehrlich ist. Wenn man auch munkelt, sie sei oberflächlich, aber lieber oberflächlich freundlich als aus tiefsten Herzen unfreundlich, hihihi! Das mit dem Fettnäpfchentanz kann ich mir vorstellen – soll es die Badenser (ach, das darf man ja hier nicht sagen, sonst wird man – wie ich – gleich angeranzt) und Schwaben nur verprellen, stört mich doch nicht! ;-))),

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