Mal wieder ist es frisch zu Ostern. Wenn der Frühling auf sich warten lässt, dann beame ich mich eben gedanklich weg, am liebsten ans Meer und am besten ganz tief in den Süden. Wie wär’s mit Kalabrien?
Vier Jahre her sind es nun bald, dass ich in Tropea war, allerdings ab Mitte Mai. Ein ungewöhnlich kühler Mai, wie man mir sagte und das war kein Tourismusgeflunker, sondern wahr. Dräuend zeigte sich der Himmel über der kleinen Stadt, die auf einem 40 Meter hohen Felsen erbaut wurde.
Auch das Meer bot die ersten Tage eher seine abweisende Seite…
Der Sturm wühlte das Wasser auf und verwüstete auch die Strände.
An Baden war zunächst nicht zu denken, schön anzusehen war es trotzdem, das Meer zu Füßen der wie eine Festung erscheinenden Stadt.
Auch alte Mauern und Pfeiler mit südlichem Grün machen sich nicht schlecht bei jedem Wetter.
Die Strandkioske boten noch keine Panini an, weder kalte noch warme, die Bagni ruhten noch im Winterschlaf.
Aber durch die Stadt flanieren, das geht immer.
Von einer der Aussichtsplattformen hat man einen guten Blick über den kleinen Hafen bis zu den nächsten Küstenausläufern.
Hinter barocken Palästen, gleich hinter der Stadt, erheben sich grüne Hügel. Wild und einsam ist es in den Bergen, zwischen Machia und Wäldern. Die Region ist nur spärlich besiedelt und bei einsamen Fahrten durchs Hinterland kann einem schon unheimlich werden. Obwohl sich die kalabrische Mafia, die ‚Ndrangheta, dem Touristen nicht zeigt…
Kinder spielen Ball zwischen Wohnhäusern oder langweilen sich, Jugendliche treffen sich auf der Esplanade und diskutieren die Probleme der Welt, so wie sie sie sehen. Und die Katzen tun sowieso wie immer, was sie wollen.
Optimistisch sind die Ladenbesitzer, die ihre Waren mutig draußen drapieren, nach einem kurzen Blick nach oben.
Aha, er wird blauer, il cielo!
Ob es sich bei diesen Schürzen um typische Produkte der Region handelt, ist zu bezweifeln, lach!
Die sommerlichen Flatterkleider wenden sich wohl vor allem an Touristen, denn der Italiener als solcher bevorzugt ja immer noch den August als Ferienmonat. Und zeigt ansonsten Eleganz und bella figura, im Geschäftsleben und auch beim abendlichen Spaziergang über die Piazza und den Corso.
Aber wenn das Wetter am Wochenende schön ist, dann gehen sie Kalabresen auch im Mai an den Strand. Und wie überall in Italien lieben sie es eng, laut und bunt und bilden Sonnenschirmkolonien. Abstand – was ist das denn?
Dann kommt auch Leben auf den Corso Vittorio Emanuele, die Hauptflaniermeile Tropeas, und die Cafés und Restaurants decken die Tische.
Tägliches abendliches Ritual: Zumeist in Grüppchen spaziert man über den Corso, nicht ohne mehrfach stehenzubleiben, parlando, parlando, und zu gestikulieren, bis eine Art Balkon das Weitergehen schließlich ausbremst. Hier verweilt das Volk, um weiterzureden und auf einen der Strände und auf die Felsnase zu blicken, hinter der weitere Sandbänder folgen. Auf dem Hügel liegt die Wallfahrtskirche Santa Maria dell’Isola. Leider war sie während meiner Ferien von Gerüsten umstellt und nicht erreichbar.
Ist das Thyrhenische Meer wild, wie an den ersten Tagen, kann man es von dort aus sicherer Entfernung betrachten.
Andererseits…, irgendeine Madonna oder ein Schutzheiliger ist immer dabei, man muss nur die Augen aufhalten!
Aber Vorsicht, hier ist von den Seelen im Fegefeuer die Rede! Zu denen möchte man ja auch nicht gehören.
Trotzdem, ich hätte mich ja vielleicht an einen der anderen Schutzheiligen wenden können, als ich mein Auto nicht wiederfand. Ich sah die Gasse nicht mehr, in der ich den Fiat 500 geparkt hatte, nur um kurz ein paar Einkäufe zu erledigen. Es regnete in Strömen. Und ich kam mir blöd vor, weil ich ständig an der gleichen Bar an der Ecke vorbeikam, von der mehrere Straßen abführten, aber nie die zu meinem Auto. Die Männer unter dem Vordach müssen sich über mich amüsiert haben. Nach mehreren Rundgängen und Abzweigungen aller Art war das Auto plötzlich wieder da. ich glaube ja, es war zwischenzeitlich in einem Paralleluniversum, so passiert es ja bisweilen auch in manchen Parkhäusern, wobei es ja dort heißt, jemand hätte Autoschach gespielt.
Madonnenfiguren gibt es auch privat, direkt vor Haustüren in den verwinkelten Gassen, oft liebevoll dekoriert, nicht immer ohne Hang zum Kitsch.
Was soll uns diese in den „Vorgarten“ eingebettete Figur mit Schnuller um den Hals wohl sagen? Wie ein Heiliger sieht der halbe Mann jedenfalls nicht gerade aus…
Da würde ich doch lieber ein Eis bevorzugen, ein gelato! Hier hat man große Auswahl.
Und dann empfiehlt es sich, vom Hauptcorso abzuweichen und die vielen Nebengassen zu erkunden.
Es gibt viele alte schmiedeeiserne Balkönchen…
…und im Innern der Altstadt ist es oft so verschachtelt und verwinkelt, dass sich die Nachbarn gegenseitig die Wäsche vom Balkon klauen könnten!
In manchen Gassen hatte ich den Eindruck, mich im Mittelalter zu befinden. Trotz „Graffiti“ an manchen Wänden. Fast erwartete ich, dass jemand einen Eimer Wasser aus dem Fenster irgendeiner Küche über mich gießen würde…
Der größte Teil der Altstadt ist aber keineswegs trostlos.
Es finden sich schöne Details und manche Wand sieht aus wie ein Gemälde.
Das Ockergelb mancher Häuser leuchtet bei Sonne und zwischen Palmen, Bougainvillea, Plumbago und anderen mediterranen Pflanzen fühlte ich mich gleich heiterer.
Aber jetzt könnte ich schon mal nach einem Restaurant Ausschau halten… Gucken macht hungrig! Und nun wird’s wirklich schwierig, man hat die Qual der Wahl (von Carpe diem bis zum gefährliche Piraten), denn in winzigen Gassen, intimen Höfen und auf kleinen Plätzen gibt es zahlreiche Restaurants, manche sehen fast wie private Terrassen aus. Gekocht wird hier übrigens vor allem viel Fisch, Pasta, Risotto und Gemüse, alles sehr wohlschmeckend!
Es kann schon mal vorkommen, dass der Gast ein paar Tropfen von oben abbekommt, auch wenn es nicht regnet…, huch!
Oder man begegnet einem smarten Kellner im Gegenlicht, natürlich mit gegeltem schwarzem nackenlangem Haar…
Wie fast zu erwarten, wird es gegen Ende des Urlaubs am schönsten. Kein Wölkchen mehr am Himmel. Und ich habe fast den ganzen Strand für mich. Das erleichtert den Abschied keineswegs…
Das wohl bekannteste Souvenir aus Tropea sind die Cipolle rosse, die roten Zwiebeln. Sie sind mild, fast ein wenig süßlich, man kann sie gut roh für Salat benutzen, einlegen oder daraus ein Confit herstellen oder gar Marmelade. Alle Spezialitäten gibt es natürlich zu kaufen. Aber im Koffer ist kein Platz mehr. Soll ich mir einen Zwiebelzopf ins Haar knüpfen oder ein Bündel als Kette um den Hals hängen?
Ganze Bougainvillea-Sträucher würde ich am liebsten mitnehmen.
Das Licht auch. Nach dem Aprilwetter vor allem der ersten Tage zeigte es sich am letzten Abend, bei Sonnenuntergang, natürlich nochmal von seiner besten Seite.
Am kleinen Flughafen von Reggio Calabria beobachtete ich durch die Scheibe, wie mein roter Rollkoffer eingeladen wurde, wie beruhigend (abgesehen davon, dass sie falsch herum aufs Band knallten). Aber ein wenig gespannt war ich schon auf den Rückflug… Der Hinweg in der (von mir nicht erwarteten!) alten Propellermaschine war nicht so lustig bei lange andauernden starken Turbulenzen. In der Vor- und Nachsaison lohnt offenbar der Einsatz größerer modernerer Maschinen nicht und Airberlin kramt für die wenigen Passagiere die alten Propellerflugzeuge aus dem Hangar. Doch auf dem Rückflug war alles ruhig, die Luft jedenfalls, die dröhnende Maschine natürlich nicht. Nur die letzten 15 bis 20 Minuten des eiernden und kaum merklich schwankenden Sink- und Landeanflugs waren schlimmer als alle Turbulenzen, die ich je erlebt hatte. Meine Nachbarin schwieg, nachdem sie verkündet hatte, sie wisse nicht, wie das ausgehen würde… Und auch ich hielt die Klappe und starrte eisern auf einen Fixpunkt. Wir haben es ausgehalten.
Ecco la primavera – da ist er, der Frühling. Das würde ich im kalten Deutschland endlich auch gern sagen können!
Zum richtigen italienischen Lebensgefühl und zum dolce far niente oder dolce vita gehören natürlich auch gezuckerter italienischer Pop und Laura Pausini – hier noch ein bisschen schmalziger durch die Zugabe einer Prise James Blunt, mit dem sie hier den Frühling vorwegnimmt (Werbung vorab geht bald vorbei, grrr, scusate-mi):
hach!
wenn ich demnächst eine Auszeit brauche,komme ich wieder!
besser geht Urlaub nicht. nur aufs auto suchen würde ich verzichten 😉
danke!
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Ja, vor allem bei Regen ist das nicht zu empfehlen! Aber auf eine Propellermaschine würde ich auch lieber verzichten das nächste Mal (aber besser weg als gar nicht!)! 🙂 Danke fürs Vorbeischauen!
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Tausend Dank für diese herrliche Auszeit, die Texte und Bilder sind wunderschön. Kann ich grad brauchen, ich hab solches Fernweh, und nicht mal eine Propellermaschine (ich kenne sie auch) würde mich abhalten!
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Grazie mille. Ich habe gerade auch ziemliches Fernweh und trotz wackelig-lauten Flugs würde ich mich doch auch mit einer Propellermaschie begnügen, wenn ich’s mir recht überlege… 🙂 Hauptsache weg, ans Meer, in milde Luft. Hier gab es Nachtfrost heute…
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Das ist ein wunderbarer, kunterbunter, schöner Osterspaziergang, auf den du uns da mitnimmst… Fernwehauslösend…
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Ich habe Osterhase gespielt, das sind die kunterbunten Eier, die ich vorbeigebracht habe. 😉 Das Fernweh scheint wohl nicht nur mich zu packen… Danke dir und grüß mir Berlin (oder Ostwestfalen)!
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Noch ein paar Monate, dann fahr ich auch endlich wieder „ans Ende des Stiefels“. Wunderbar schon mal die Einstimmung durch deine Bilder!
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Du Glücklicher! Sicher wirst du danach wieder etwas über die guten Lebensmittel und/oder Rezepte schreiben? 😉
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nur noch fünfeinhalb Wochen und dann ab in die Bretagne, Mitte Mai, da kann es dort auch noch frisch sein, und trotzdem freue ich mich sehr darauf, mindestens so, wie über deinen tollen Bericht. In Callabrien war ich 2002 das letzte Mal, das ist auch schon viiiiel zu lange her!
liebe Grüsse
Ulli
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ich vergaß zu schreiben, dass du uns ganz wunderbare Impressionen zeigst … eins meiner Favoriten ist das Heiligenbild mit Autospiegelung, nein, das wundert dich jetzt nicht wirklich …. lach und wech
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Huch, da ist ja noch was von dir…, ich werde zurzeit nicht über alle Kommentare benachrichtigt, manchmal spinnt WordPress! Ja, die Autospiegelung im Heiligenbild, hihi, nein, wundert mich nicht, kicher, die hatte es mir auch angetan! 😉
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Ja, freu dich drauf, die Bretagne ist ja selbst im Winter schön! Kalabrien kennst du also auch, wusste ich noch gar nicht. Danke dir und liebe Grüße!
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wir haben Freunde dort wohnen, eine Berlinerin und ihr waschechter Calabrese, das ist schon ein wundersames Paar 😉
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Ach, aber warum nicht! 🙂 Heute im Supermarkt: Ein Deutscher, der wohl schon länger mit seiner italienischen Liebsten in Italien lebt (jedenfalls sagte er, er lebe dort). Er wollte Bier kaufen, ging mit dem Sixpack an die Kasse, wo seine Dame schon stand. Die Kundin dahinter (zwischen ihnen und mir) meinte zu ihm, das sei alkoholfreies Bier. Huch! Aber er war ihr dankbar, rannte zurück, bückte sich, ließ seine runtergerutschte Jeans von hinten mit mit wer weiß was noch blicken und nahm das alkoholhaltige Bier – wie die aufmerksame Kundin vor mir anmerkte, das mit den „goldenen“ Verschlüssen. Dann parlare, parlare des Paars, und der Kassierer zum erstenmal, seit ich ihn kenne, freundlich, unterhielt sich mit den beiden, fragte nach und wünschte einen schönen Tag. Die Frau zwischen dem Paar und mir brachte ein herzliches „Buongiorno“ heraus und ich konnte es mir nicht verkneifen, ein „Ciao“ hinterherzurufen und dass ich gerade gestern von Italien geträumt hätte, was sie belustigte.
Hoppla, was war denn das? Na ja, einer der italienischen Momente im Leben… Der Kassierer wünschte auch mir – erstmals – noch einen schönen Tag, endete aber mit „in unserem schönen Deutschland.“ Ach ja, das hätte er sich dann aber doch verkneifen können, oder?
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ja allerdings hätte er sich das verkneifen können, und trotzdem ich liebe italienische Momente!
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Jaaa, si, ich auch liebe italienische Momente! 🙂
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alora 🙂
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Oh, ce ciel bleu, ce soleil qui répand sa poudre d’or partout, sur les façades baroques de la ville, « haut en couleur », tout semble ici animer la vie afin que le bonheur règne… des vagues venant joyeusement mourir de plaisir sur le sable blanc des plages, images magnifiques et reposantes, c’est si rare, de trouver la beauté présente… en telle abondance… C’est une véritable fête ! Merci de nous avoir fait partager ces moments de bonheur, si rares aujourd’hui… et si cela n’était qu’un rêve, il existe ! Merci pour cette découverte ! 🙂
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Oui, j’aurais envie d’y aller encore une fois et de me retremper dans cette ville magnifique, cette atmosphère animée, cordiale, gaie, ensoleillée, vive et douce à la fois – c’est vrai, un peu comme un beau rêve! Merci de ta visite! 🙂
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