Das ist nicht mein Europa, nicht meine Welt

Irgendwann hatte ich mal eine Phase, da hätte ich lieber gesagt, wäre ich gefragt worden, ich sei Europäerin, und nicht Deutsche, zumal ich keinen Nationalstolz kenne und auch kein Heimatgefühl. Vielleicht, weil meine Eltern Vertriebene und Flüchtlinge waren. Heute könnte ich diese Einstellung kaum noch verantworten. Ich bin weder das eine noch das andere, fühle mich nirgendwo mehr zugehörig.

Europa erweist sich als Witz und existiert nur auf dem Papier. Die EU, die ich trotz allem schon immer für ein zweifelhaftes wirtschaftliches Konstrukt hielt, das es unter anderem nur darauf anlegt, mit Subventionen für Reiche und Große vor allem die letzten Kleinbauern kaputtzumachen, hat bei mir nun in jeglicher Hinsicht abgedankt. Europa, die EU, das ist nichts, eine einzige Luftblase, ein Hohlkopf, die pure Heuchelei, jedes Land denkt nur an sich, das europäische Gerüst zerbröckelt schon und vielleicht ist das gut so, um der Wahrheit willen. Und dabei geht es nicht mal nur ums Geld, sondern auch um engstirnige Einstellungen…

Wenn ich Osteuropa derzeit so betrachte, wird mir immer klarer, warum es mich dort nie hinzog, trotz meiner Vorfahren (und nicht wegen). Was sind das für Staaten mit begrenzten Horizonten und null Toleranz, die bis nach Ostdeutschland reicht, die können ja kaum über ihren alten Lattenzaun gucken. Pardon. Aber ob (ehemaliger) Sozialismus oder Kapitalismus: Der zumeist reichere Westen ist nicht viel besser. Italien hat mit den ankommenden Flüchtlingen Einiges zu stemmen, keine Frage, Griechenland erst recht und kann es sowieso gerade nicht leisten, aber das wohlhabende England gibt sich ohne Grund streng und Frankreich zeigt sich nur in Worten human, tut jedoch nichts. Bomben gegen den IS, wie sie Hollande ankündigt, würden doch wie immer auch die Zivilbevölkerung treffen und noch die restliche Infrastruktur kaputtmachen, also doch wohl keine Lösung sein, das ist doch ein altbekanntes Problem, man denke nur an die Bombardierung des Irak durch die USA, aber… Dummheit, Machtgier und Eigennutz regieren die Welt. Das reiche Saudiarabien zum Beispiel käme nicht im Traum auf die Idee, die Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen. Dabei müssten diese dann nicht mit Schlepperbanden die gefährliche Fahrt übers Meer riskieren, auch müssten sie keine Fremdsprache lernen, sondern könnten leichter integriert werden… Aber nein, allenthalben nur nationaler Egoismus.

A propos die Welt: Im Grunde lachen sich alle darüber kaputt, dass Deutschland innerhalb Europas das Gros der Flüchtlinge aufnimmt. Erst werden „wir“ gelobt – Ach, die Deutschen sind ja doch Menschen, sogar Angela, wer hätte das gedacht (na, die hat ja nun auch plötzlich ganz überraschende Töne drauf, die ich noch nicht deuten kann, ich warte mal ab, was noch kommt und wie sie das relativieren wird), und die Engländer haben das Wort „Willkommenskultur“ sogar schon in ihre Sprache aufgenommen. Aber sie lassen uns allein mit den Flüchtlingsmassen, weil unsere Vorfahren Nazis waren und diese Schuld nutzen sie aus, halten sie wach, nutzen das schlechte Gewissen, appellieren unermüdlich daran, dass die Deutschen immer noch was gutzumachen haben. In einer französischen Publikation hieß es sinngemäß: Die Deutschen haben die Juden vernichtet und jetzt schicken sie uns all die Muslime. Was soll man dazu sagen… Alles eine perfide Strategie, um sich selbst aus der Verantwortung und der ethischen Pflicht zu stehlen und Verantwortung abzuwälzen. Wer hat nochmal überallhin Waffen geliefert, auch in die aktuellen Kriegsregionen, und tut es noch? Ähm, wer hat es nicht?

Wenn Europa nicht willens ist, die Flüchtlingsmassen gerecht zu verteilen, dann ade EU. Ade Weltpolitik überhaupt. Ist ja auch ganz lehrreich zu begreifen, wie alles wirklich läuft (nein, nur einen Teil davon…), so verliert man den Rest seiner Naivität.

Vor kaum 25 Jahren fielen Mauern, heute werden Zäune gebaut. Die einen lassen alle Flüchtlinge rein, machen ihnen riesige Hoffnungen und staunen hinterher kindlich über die Folgen (wer weiß, wann der braune Mob wieder seine Fratze zeigt, noch überwiegen Empathiekundgebungen, ein totes Kleinkind am türkischen Strand wird medienwirksam vermarktet und da werden plötzlich sogar harte Gemüter weich – ich weiß nicht, wie ich das finden soll). Die anderen schotten sich ab oder kesseln die Flüchtlinge ein, scheuen auch vor dem Einsatz von Waffen nicht zurück, unmenschlich, brutal. Na toll. Mehr kriegen sie alle nicht zustande?! Und, da ja doch so oft mit Geld argumentiert wird: Was DAS alles kostet, der Bau der Zäune in Ungarn etc., was könnte man mit den Milliarden Euro machen…

Würde ich heute noch sagen, ich fühlte ich mich als Europäerin, wäre das geradezu kleingeistig. Klar, ich komme ohne Passkontrolle durch die EU, aber wenn das alles ist… Lieber wechsele ich vor dem Urlaub wieder Geld und halte kurz an der Grenze als… Und wer weiß, wie lange es noch so bleibt mit den offenen Grenzen, auch für Nichtflüchtlinge…

Doch Europa allein könnte eh nichts ausrichten. Daran, die Lebensbedingungen der Flüchtlinge in ihren Herkunftsländern zu verbessern, die Regionen zu befrieden und damit die Ursachen der Massenflucht zu bekämpfen, ist leider kaum jemand interessiert, vor allem die mächtigen USA und ihre Verbündeten nicht.

Alles Illusion, nicht mal mehr als hochnäsige Weltbürgerin fühle ich mich…

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5 Antworten zu Das ist nicht mein Europa, nicht meine Welt

  1. aquasdemarco schreibt:

    Die Idee Europa ist keine schlechte gewesen, so ist der Sozialismus auch nicht gescheitert, sondern das Konstrukt DDR.
    Europa ist mich mehr und weniger als ein Selbstbedienungsladen für Industrie-Finanzindustrie, welche

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  2. aquasdemarco schreibt:

    die Demokratie gekapert haben und für sich instrumentalisiert, dass ist das wirklich fatale.
    Durch Europa wird es sichtbarer denn je.
    Alles war so vorhersehbar, hätte einer das letzte Buch von Peter Scholl-Latour gelesen, hätte man zumindest in Syrien anders handeln können.
    Gestern sah ich eine Doko über Landgrapping der Konzerne in Rumänien.
    In Thessaloniki sollten die Wasserwerke privatisiert werden.
    Wir sollten die Macht nicht unternehmen geben, für diese sind wir nichts weiter als Humankapital.

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  3. Scherbensammlerin schreibt:

    Und ich habe eine Doku gesehen gestern wo es hieß, nach dem Krieg wurden in Deutschland 12 Mio Flüchtlinge aufgenommen. In einem zerstörten Land. Und damals haben alle gezweifelt, dass es möglich sei. Und es war ultrahart für die Betroffenen. Ich bin mir noch nicht mal sicher, dass in Osteuropa die Meinungen so einhellig sind. Aber anscheinend setzen sich diejenigen durch, die Zäune hochziehen. Eine lustige Idee, wenns nicht so tragisch wäre.

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  4. Ulli schreibt:

    all die Reaktionen der letzten Wochen und Monaten zeigen mir, dass es keine Strategie und wahrscheinlich auch keinen Willen gibt die Probleme der Welt wirklich zu lösen- es würde ja heissen, das ganze Verteilungssystem zu ändern, Waffenlieferungen zu stoppen und somit die Waffenindustrie ausbluten zu lassen- aber während ich das schreibe, weiss ich doch, dass dies nur Träumereien sind-
    bei allem, was ich nicht bin, eins bleibe ich: Mensch …

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