Sans visage, faceless, gesichtslos

Selbstverständlich kann man auch (Ab)Bilder von Menschen machen, ohne deren Gesichter zu zeigen, ohne sie „erkenntlich“ zu machen (ich benutze das mal im falschen Wortsinn). Das kam mir in den Sinn angesichts der neuen rechtlichen Bestimmungen nicht nur zur Fotografie (und ja, überhaupt, wie ist es in der Malerei oder Plastik, darf man einen realen Menschen noch – erkennbar – abbilden und dies der Öffentlichkeit zeigen? Fällt das noch unter Kunst?). All die berühmten Fotografen würden aber ja verhaftet werden, mäße man sie an der heutigen juristischen Lage. Straßenfotografie gäbe es nicht, tot, aus, finito.  Eugène Atget, Henri Cartier-Bresson, Robert Doisneau (der eh viele Bilder gestellt hat), Vivian Maier, Willy Ronis, und viele andere müssten ihre Fotos heute verstecken. Was äußerst bedauerlich wäre.

Nach wie vor finde ich es wichtig, den Menschen auf der Straße zu zeigen, auch von vorn, mit Gesicht, ohne ihn vorzuführen. Heute setzen sich aber ja sowieso die meisten freiwillig in Szene, machen ihre Selfies und zeigen sich „ungeschminkt“ der ganzen Welt, ganz freiwillig, ohne Bedenken und jede Scham verkaufen sie sich. Manche fallen dabei von Felsen und sterben oder lassen sich bei der sogenannten Kiki-Challenge (habe ich gerade zum erstenmal gelesen, weil mir das Stichwort „Osnabrück“, wo ich länger gelebt habe, untergekommen ist und da gab es auch so einen Fall) filmen. Dabei springen sie aus fahrenden Autos, um daneben auf der Straße nach einem bestimmten Song zu tanzen. Der/die eine oder andere wird dabei auch schon mal vom eigenen oder einem anderen Auto überfahren oder rennt gegen Pfähle. Sicher auch was für Influencer, weiß nur nicht, für welche Auftraggeber – na ja, mir fiele schon was ein…. Wie auch immer, das nennt man wohl Narzissmus. Komische Welt.

Weil aber trotz der ausufernden Selbstdarstellungen nun der Blick von außen so reglementiert wurde, habe ich mal ein paar „gesichtslose“ Bilder rausgekramt. Denn natürlich kann man Straßenszenen auch einfangen, ohne alles zu zeigen.

K1024_IMG_5691

Verdeckt, abgeschnitten, von hinten – es gibt viele Möglichkeiten.

K1024_Copy (1) of IMG_5761

K1024_Cru,roh,ungeschminkt

Zum Beispiel auch vage Spiegelbilder.

K1024_2011_05070357

Interessante Motive finden sich überall.

K1024_IMG_5788aa

Das Verschwommen-Diffuse gehört ebenfalls dazu.

Trotzdem.  Ich mag die Menschen auch weiterhin gern von vorne sehen. Gesichtsloser wird trotz oder wegen des Selfie-Wahns eh alles.

Dieser Beitrag wurde unter Fotoimpressionen, Musik, Film, Theater, Bildende Kunst und mehr veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

8 Antworten zu Sans visage, faceless, gesichtslos

  1. kormoranflug schreibt:

    Das Spiegelbild von Dir „CRU“ gefällt mir immer sehr gut.

    Gefällt 1 Person

  2. Uffnik schreibt:

    Zumindest heute hast Du Dich mächtig zurückgehalten. Deine seitherigen Fotos hatten recht oft den Menschen im Mittelpunkt. Das würde dann schon fehlen. Eine übereilte Reaktion, wie ich sie vorhatte, entspricht wohl nicht Deiner Natur. Das ist auch gut so. Aber wie schon auf meinem diesbezüglichen Post festgestellt, hat die Politik man hier doch ein vernünftiges Ziel meilenweit verfehlt. Die Entwicklung bleibt spannend (wie Deine Beiträge).

    Gefällt 1 Person

  3. Lakritze schreibt:

    Ich mag ja diese indirekten Porträts.

    Gefällt 1 Person

  4. DS-pektiven schreibt:

    Jaja, die liebe DSGVO. Wurde das inzwischen eigentlich mal ausgeurteilt; also ob Streetphotography überhaupt noch legal möglich ist?

    Im Kontext der letzten 1,5 Jahre muss man auch fragen, ob Menschen, die massenhaft ihre Gesichter vermummen, überhaupt noch unter den „Datenschutz“ fallen. Der Titel deines im August 2018 veröffentlichten Beitrags wirkt auf jeden Fall fast schon prophetisch.

    Like

    • rotewelt schreibt:

      Ehrlich gesagt, ich bin da auch nicht auf dem Laufenden, ich fotografiere sowieso nur noch selten in diesen Zeiten (und wenn, wie kürzlich, im Urlaub, habe ich keine Lust mehr dazu, die Bilder hier zu zeigen). Manchmal denke ich daran, die negativen Auswüchse der letzten fast zwei Jahre abzubilden in Form einer Dokumentation, zum Beispiel die vielen aufgegebenen Ladengeschäfte, 3G-Schilder allüberall, Gesichtslappen auf der Straße oder auch Maskierte mutterseelenallein in der Natur, von denen du in deinem Blog ja öfter berichtest, aber dann kann ich mich dazu einfach nicht aufraffen, weil es zu deprimierend ist und es mir schon reicht, das alles zu sehen. Ob das Bild eines Vermummten auch unter die DSGVO fällt? Hmmm, gute Frage. Ich weiß es nicht. Aber ist es nicht so, dass jegliche Abbildung, auch Street Fotography, nicht betroffen ist, wenn sie unter „Kunst“ fällt? Das scheint mir weit auslegbar zu sein, ich kenne mich rechtlich aber nicht aus. Dass das Gesichtslose heute Realität geworden ist, konnte ich vor drei Jahren nicht ahnen. Fast ist es mir aber unheimlich (danke, dass du das gesehen hast, so lange ist das schon her!) und vielleicht ist es ja nur eine Fortführung des Damaligen, auch wenn es auf den ersten Blick als Widerspruch erscheint.

      Like

Hinterlasse einen Kommentar