Kurz vorm Kollaps

Heute fand ich im Internet ein „fröhliches Kleid“ mit floralem Print. Ich wusste gar nicht, dass Gegenstände fröhlich sein oder überhaupt zu Gemütszuständen in der Lage sind. Ich war aber schon fast froh, dass es sich nicht um ein Cheerful oder gar Happy Dress handelt, zumal der Druck ja schon halb englisch ist. Vielleicht besteht der Stoff aber ja auch aus glücklichen Pflanzenfasern, wer weiß.

Vor einigen Wochen, als ich beim Friseur mal wieder die Brigitte las, die ich jahrzehntelang als meiner Meinung nach beste Frauenzeitschrift bis vor ungefähr sieben, acht Jahren gelesen und früher sogar  eine Zeit lang abonniert hatte, hätte ich das Machwerk beinahe wutschnaubend in die Ecke geworfen, doch ich weiß mich ja zu benehmen. Meine Abscheu rührte allerdings nicht nur von der Verenglischung der deutschen Sprache her à la „mein Style“ und „Beauty Tipps“ – das liest man schon lange in allen Magazinen für die überwiegend weibliche Zielgruppe. Auch die biedere Für Sie und die nette Freundin haben das übernommen, nachdem vor allem die Cosmopolitan schon lange vor allen anderen Begriffe wie Blowjob in den Mund genommen hatten, bevor Fashion Highlights folgten.

Nein, was mich so aufbrachte, war etwas anderes. Da beklagte sich eine Frau über Männer, die nicht einstecken können. Die Dame hatte mal kurz einen Kerl aufgegabelt, von dem sie nichts wollte außer Sex für eine Nacht, das wusste sie schon vorher. Ob der Mann das auch wusste, schrieb sie nicht. Dann aber stellte sich der Typ ungeschickt an, jedenfalls fasste er die Frau “zwischen den Beinen“ nicht so an wie von ihr gewünscht. Das sagte sie ihm dann umgehend. Daraufhin verließ er ihre Wohnung. Was die Frau ungeheuer aufregte. Diese Männer, sie sind einfach nicht in der Lage, klare Worte zu akzeptieren und sich nach den Bedürfnissen der Feministinnen zu richten. Denn selbstverständlich bezeichnet sich auch diese Frau als solche. Vielleicht hätte sie mit dem ONS-Partner vorher einen schriftlichen Vertrag schließen sollen.

Feministin sein bedeutet anscheinend die Überzeugung, dass Frauen das bessere Geschlecht mit Vorrechten sind und dass sich Männer an deren Anforderungen anpassen müssen (der Titel der Zeitschrift Myself spiegelt das ja ganz offen wider). Das ging nicht nur aus diesem, sondern auch aus anderen Beiträgen im Heft hervor. Stellt euch vor: Die Dame, hihi, beklagte unter anderem, sie habe öfter Männer kennengelernt, die ihr von Büchern vorschwärmten, deren Autoren männlich waren! Unglaublich, Frechheit! Warum erzählten sie ihr denn nicht von tollen Frauen, die auch schreiben können? Das konnte sie natürlich nicht tolerieren noch akzeptieren und kickte die Typen weg. Leider hat die Frau Probleme, einen festen Partner zu finden. Warum, verstehe ich überhaupt nicht.

In diesem Tenor sind mittlerweile jedenfalls viele Beiträge in der Brigitte und natürlich nicht nur dort geschrieben. Warum die Frauen überhaupt noch an diesen absolut unzulänglichen Männern interessiert sind, erschließt sich mir nicht ganz. Sicher suchen sie willfährige Diener. Aber eine Meinung sollen sie bestimmt doch haben, sonst müssen sie ja auf sie herabsehen und das wollen sie nun auch wieder nicht. Da lobe ich mir ja fast die schon immer einfach gestrickten Frauenzeitschriften, die nur Mode und Rezepte zeigen, auch wenn sie allesamt langweilig sind. Wenigstens rufen sie nicht zum Geschlechterkampf auf. Ach ja, Brigitte & Co sind ja so feministisch, widmen aber Beauty-Strecken erstaunlich viele Seiten (die fand ich schon immer schlimm, was interessieren mich Fotos von Frauen an karibischen Stränden, die angeblich ihre Haut mit dieser oder jener Care verwöhnen, ich brauche keine Creme-Werbung) – ist das nicht zumindest ein kleiner Widerspruch? Überhaupt finde ich Feminismus doof, ich bin für Humanismus.

Frauen und Männer sollten besser gemeinsam für eine sozialere gerechtere Welt und bessere Lebensgrundlagen eintreten. Statt Einzelnen – sozial absolut ungerecht – Flüge und Autos zu verbieten oder höher zu besteuern und anderem Kleinklein sollten sie zum Beispiel dafür kämpfen, dass die Industrie die Regenwälder nicht mehr abholzt, dass die Monokultur überall auf der Welt gestoppt wird und die Agrarwirtschaft wieder zu dem zurückkehrt, was sie mal war: Bauern, die mit und von der Natur leben.

Na, das entsprang gerade spontan meinem Hirn, sicher infolge einer tagelangen Hitzelähmung und nur weil gerade Sturm aufkommt, der die Synapsen aufrüttelt und Gegenstände von den Bänken der Fenster wirft, die schon offen sind. Bei 29 Grad vor glühender Tastatur. Die Balkontür lasse ich lieber noch zu, 30 Grad drinnen will ich dann doch vermeiden.

PS: Mit den Bauarbeitern gegenüber hätte ich diese Woche auch nicht tauschen wollen.

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12 Antworten zu Kurz vorm Kollaps

  1. Publicviewer schreibt:

    Kapitalismus ist auch hier au der ganze Linie das Problem.

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  2. rotewelt schreibt:

    So isses. Das heißt, nur ein Teil.

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  3. kormoranflug schreibt:

    Die jungen Frauen schauen darauf das der Mann einen guten Lebensstandard ermöglicht, das scheint heute geil zu sein. In meinem Früher war das etwas anders

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    • rotewelt schreibt:

      Als Frauen noch Hausfrauen waren, war das normal und auch verständlich, zumal ihnen von den Männern ja sogar verboten werden konnte zu arbeiten. Heute ist das wirklich recht befremdlich. Aber allen die Gender-Sprache aufzwingen wollen, jau. Toll.

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  4. eimaeckel schreibt:

    Früher war die Sprache der Mode Französisch. Elegantes Manequin statt magerem Model, Dessous statt Underwear und hieß nicht auch der Blowjob „Französisch“? Wie heißt eigentlich die Haute Couture heute? Der redaktionelle Teil von Frauenzeitschriften war immer schon dafür da, den Platz zwischen den Mode- und Kosmetikanzeigen zu füllen. Aber du hast Recht: Diese dämliche Zwang zur Selbstoptimierung, der da durch die Zeilen weht, der tut schon weh (ich les die Brigitte immer beim Arzt ;-).

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  5. rotewelt schreibt:

    Du bist nicht der einzige Mann, der die Brigitte liest oder durchblättert. 😉 Allerdings war sie früher doch anspruchsvoller und einige Dossiers und Artikel waren nicht nur Füllstoff, wie ich finde und erst recht nicht nur für Frauen interessant. Ach ja, was die Sprache angeht, so ist sie leider total anglisiert. Das Französische klang oder klingt doch viel schöner. Aber wen interessiert das heute noch? In den 70ern wurden sogar im deutschen Fernsehen noch französische Chansons gespielt und viele französische Filme gezeigt, alles vorbei oder fast. Nur die Haute Couture, die heißt immer noch so..

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  6. Chris schreibt:

    „Überhaupt finde ich Feminismus doof, ich bin für Humanismus.“
    You made my day ….. ;-)) !!!!

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  7. Eric schreibt:

    Anstatt sich diesem Geschlechterwahnsinn hinzugeben (Beispiele lassen sich endlos fortführen), sollten wir uns darauf besinnen, dass wir insbesondere eines sind: Menschen, die partnerschaftlich miteinander umgehen sollten. Als solche haben wir eine riesige Verantwortung, nämlich das Leben unserer und das der nachkommenden Generationen zu sichern. Alles andere empfinde ich als kleinkariert und zerstörerisch.

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  8. Ulli schreibt:

    Zaz macht Spass! Danke dafür 🙂
    Verbitterte und dogmatische Feministin machen keinen Spass, machten sie mir noch nie, auch wenn ich es schon immer richtig fand und finde für die gleichen rechte der Frauen zu kämpfen, ansonsten bin ich, wie du, für Humanismus, dass Männer und Frauen gemeinsam sich für eine bessere Welt einsetzen.
    Toller Beitrag, liebe Ute.
    Herzliche Grüsse
    Ulli

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    • rotewelt schreibt:

      Merci, liebe Ulli. Ja, Zaz macht Spaß, schön gesagt. Nur weil ich mich nicht als Feministin bezeichne, bin ich natürlich – was auch sonst – für gleiche Rechte von Männern und Frauen. Tja, wäre schön, wenn beide Geschlechter öfter gemeinsam für gute Sachen kämpfen würden als gegeneinander. Herzlichen Gruß zurück.

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