Provenzalische Impressionen – Goult

Bei meinem ersten Besuch vor ungefähr 20 Jahren sah ich in Goult keinen Touristen, es war ganz still, das hinter Wäldern versteckt auf einem Hügel liegende Dorf schien im Dornröschenschlaf zu liegen und wir fühlten uns beinahe als Eindringlinge in einer geschlossenen Welt. Der Ort soll noch heute zu den weniger bekannten des Luberon gehören und vor meinen Augen hatte ich die wenigen und etwas verblassten Erinnerungen in Grau und Grün, ich sah ein winziges altes provenzalisches Dorf vor mir, mit engen und etwas dunklen Gassen, alten Steinhäusern, Platanen und Efeu.

Doch dann, als ich das 1.240-Seelen-Dorf im Luberon zwischen Cavaillon und Apt nach so langer Zeit wieder betrat – es war Mai, genau wie damals -,

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konnte ich mich an nichts erinnern, waren die Parkplätze voll, schallte Musik aus der Mitte des Dorfes, war alles so fremd, als seien die Fensterläden allesamt frisch gestrichen, die Häuser ausgewechselt oder der Kalkstein zumindest heller geworden, als wäre Goult in ein aufgehübschtes bunteres Städtchen mutiert…, aus dem Dornröschenschlaf erwacht… Dafür bilden die Rosen nun von sich aus Spaliere in den Gassen…,

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für den Einwohner wie für den gemeinen Touristen sowie für die Promis, denn tatsächlich sollen sich in der Umgebung dieses abgelegenen Ortes bereits Filmstars angesiedelt haben, von Johnny Depp und Vanessa Paradis (nun, eine/r wird inzwischen ausgezogen sein…) über Emmanuelle Seigner bis Roman Polanski… und ich kann mir gut vorstellen, wie bei Vollmond im Schloss der Tanz der Vampire stattfindet, doch nun war es Tag und hell und sonnig, auf dem Marktplatz fand ein elsässisches Fest statt – Live-Musik inklusive – und es wurden Delikatessen aus Gueberschwihr verkauft und serviert, von Wein und über Foie gras bis zu Choucroute, was die Provenzalen (neu)gierig verspeisten und was bei mir – wegen Gueberschwihr – Erinnerungen an ein sehr lange zurückliegendes Wochenende zur Weihnachtszeit auslöste, dabei es war so heiß, jetzt,

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dass ich den Schatten suchte, doch leider wurde ich im provenzalisch-einladenden Café de la Poste auch nach zehn Minuten von der jungen weiblichen Bedienung, die angestrengt nach unten und an mir vorbei guckte, während sie mich mehrfach passierte und die Gäste an allen anderen Tischen würdigte, penetrant ignoriert, so dass ich auf ein Getränk verzichtete,

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stattdessen stillte ich meinen Durst durch Schauen,

beim Anblick der Reste der alten Stadtmauer, der Tore und des Schlosses, das in Privatbesitz ist und nicht besichtigt werden kann,

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schlenderte über einen kleinen Straßenmarkt, betrachtete Hüte und erstand ein Paar Espadrilles – wie immer in Frankreich auch in Größe 35 vorhanden – in einem wunderschönen weinroten Ton,

schaute Antiquitäten, Käse und Maiglöckchen an, denn es war der 1. Mai und da kaufen alle Franzosen ihren Liebsten ein paar muguets, meist drei zu einem Ministräußchen verbunden,

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spazierte durch Gassen und bewunderte die schönen alten Steinhäuser, verblichene Inschriften,

Aushängeschilder, dekorative Blüten, silbriges Olivengrün

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und leuchtende Fassaden, vergaß die Kirche und auch die „Windmühle von Jerusalem“ zu fotografieren, die ich vor vielen Jahren nicht bemerkt hatte,

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und nahm als letztes Bild eine ältere Frau mit, die mitten auf dem Trottoir ihre Staffelei aufgestellt hatte, den Rücken zur Straße gewendet, und seelenruhig ihrem kreativen Tun nachging, mit der Umgebung zu einem farblich harmonierenden Gesamtkunstwerk in beinahe bretonischen Tönen verschmolzen.

Die Zeiten haben sich geändert seit meinem Besuch im letzten Jahrhundert, das Hinterland der Provence ist längst bekannter geworden, selbst die entlegensten Orte wurden entdeckt, aber sicher hat mir doch auch meine Erinnerung einen kleinen Streich gespielt.

Goult
est un village
riquiqui
mais il y a
moult

à voir et encore
peu de chichi.

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9 Antworten zu Provenzalische Impressionen – Goult

  1. Sofasophia schreibt:

    ich bekomme nach lavendel duftendes fernweh … schön gewoben!

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  2. rotewelt schreibt:

    Merci, Sofasophie, ich hab auch Fernweh nach dem Süden.

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  3. traeumerleswelt schreibt:

    da kommt Urlaubsstimmung auf 🙂 ..wieder ein sehr schöner Bericht !

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  4. Lakritze schreibt:

    Allein die Farben sind unglaublich. Dank für die Extradosis Sonne!

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  5. ich weiß nicht was ich sagen soll……. deine Fotos sind der OBERHAMMER! Ich konnte richtig eintauchen und war irgendwie dort. Obwohl ich noch nie dort war.
    TOLL!

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  6. Pingback: Von village zu village: Le Thor | rotewelt

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