Kein Winterschlaf

Der Winter bedeutet für mich, seit ich in Freiburg lebe, unausgeschlafen zu sein. Jedenfalls, wenn es schneit (aber auch im Herbst, wenn das Laub fällt). Ich lebe im Kehrwochenland und da macht es keinen großen Unterschied, dass ich mich in Baden und nicht im Schwabenländle befinde.

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Wann immer in der Nacht Schnee fällt, reißt mich des Morgens eine motorbetriebene Schneefräse (so ein Sitzrasenmäher für den Winter) brüsk aus dem Schlaf. Das Haus, in dem ich wohne, ist umzingelt von öffentlichen Gebäuden und die von der Stadt beauftragten Kehr- und Kratz- und Streu- und Laubsaugerfirmen kennen keine Gnade.

Einmal, als ich um halb sieben morgens noch einen Täter auf wiederholter frischer Tat erwischte, stellte ich ihn zur Rede. Natürlich war der arme Mann nur angestellt und tat seine Pflicht, für’s tägliche Brot. Deshalb war ich auch gnädig mit ihm, wollte nur, dass er mir den Namen der Firma verriet, für die er arbeitete, und das tat er auch. Ich rief also dort an und beschwerte mich über das frühmorgendliche Wecken. Die Dame am Telefon, Ehefrau des Chefs, erklärte mir mitleidlos, die Firma sei für 2.000 Grundstücke in Freiburg zuständig und spätestens um sechs Uhr morgens müssten alle Gehwege vom Schnee befreit sein. Ich könne mich nicht beklagen mit meiner Halb-Vier-Uhrzeit, denn man begänne bereits um zwei Uhr morgens. Ach so.

Mein Vermieter, der mit im Haus wohnt. beschwerte sich ebenfalls bei der Firma. Daraufhin kamen sie frühestens um fünf. Leider fiel im Februar noch öfter Schnee.

Heute ist Sonntag, ich wollte gern ausschlafen. Samstags geht man meist auch nicht so früh zu Bett, oder? Doch um halb sechs wurde ich wieder geweckt, diesmal vom kratzend-schleifenden Geräusch einer Kehrschaufel. Erst wollte ich meine Nachbarn beschuldigen, doch es war wieder die Kehrfirma, diesmal ohne Motor. Eine Schneeschippe ist leiser als eine Schneefräse, aber es dauert länger und ist sowieso nicht minder schlafentziehend.

Da ich gerade Kehrwoche habe, wie praktisch, es erwischte mich also noch am letzten Tag, nachdem ich gestern bereits das Laub gefegt hatte et cetera, stiefelte ich also auch bereits um halb acht ins Freie und tat meine Pflicht (die anderen Hausbewohner waren eh auch schon wach vom Lärm), noch vor dem Frühstück, aber nur, um danach meine Ruhe zu haben. Ich war die Letzte in der Straße, meine Nachbarn hatten den Gehweg inzwischen auch bereits geräumt, als ich noch in meiner warmen Betthöhle verweilte und verzweifelt Schlaf suchte. Auch sieht mein geräumter Gehweg immer am ungeradesten aus, die anderen scheinen mit dem Lineal zu arbeiten.

Ich frage mich, warum auch am Sonntag derart früh dieser Aufwand betrieben wird. So früh beginnt der Gottesdienst doch gar nicht, selbst nicht für Katholiken…

Und überhaupt: Wenn die Deutschen etwas auszeichnet, dann, dass sie ihre Pflichten, nach den geltenden Regeln und Vorschriften, nicht nur erfüllen, sondern gar übererfüllen, in vorauseilendem Gehorsam sozusagen. Und geht es sich auf einer festen Schneedecke nicht sicherer als auf geräumten Wegen, wenn es dort wieder rieselt? Aber natürlich musste ich hinterher noch streuen (ja, das macht man sogar in Fundiöko-Freiburg, manchmal sogar mit Salz, haha!), kam mir vor wie der in den Winter versetzte Sämann von Van Gogh, halb verrückt vor Müdigkeit und mit meiner Kapuze über dem bleichen Morgengesicht sah ich sicher wie ein Gespenst aus.

Morgen früh gebe ich das hölzerne Kehrwochenschild an meine Nachbarin weiter. Ach ja, zu ihr habe ich ein gestörtes Verhältnis, seit ich im Oktober am vorletzten Tag meiner Kehrwoche nur einmal das Laub (den Löwenanteil, neun Müllsäcke voll) kehrte und das danach vom Nachbarn, der einen Tag später fegte, herübergewehte Laub liegengelassen hatte.

Und ich fahre morgen ich in die Schweiz, in ein Wintersportgebiet. Dort bin ich noch nie so früh morgens von Schneeräumgeräten aus dem Bett geworfen worden. Bald kann ich aufatmen und endlich ein paar Nächte lang durchschlafen. Die letzten Nächte dieses Winters werde ich also Erholung finden. Danach beginnt endlich der Frühling, hoffentlich.

PS: Es schneit schon wieder, hoffentlich muss ich nicht nochmal raus…

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19 Antworten zu Kein Winterschlaf

  1. ehre9 schreibt:

    Haha …In Deutschland….da müssen selbst Zuckerpuppen aus dem Bett springen, um Schnee zu schippen…hahaha

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  2. traeumerleswelt schreibt:

    dann wünsche ich dir wunderschöne erholsame Tage in der Schweiz ! Und wenn du zurück kommst ist der Frühling da..zumindest meteorologisch 🙂

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    • rotewelt schreibt:

      Dankeschön! Ja, und dann runter von den verschneiten Alpen ins „Grüne“ ! 🙂 Das schönste Erlebnis hatte ich mal, als ich Ende April von Lac de Tignes herunter ins Tal fuhr, da grünte es wirklich schon – ein verrückter Kontrast!

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  3. kormoranflug schreibt:

    Schneeschieben macht Spaß. Irgendwie scheint Dein Haus besonders hellhörig zu sein.

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  4. Lakritze schreibt:

    Ach, schöne Ferien! Es wird hell und heller, und der Frühling wird auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.

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  5. haushundhirschblog schreibt:

    Noch fünf Mal schlafen, liebe rotewelt, dann ist endlich Frühlingsanfang .. jedenfalls der meteorologische.
    Lass es Dir bis dahin gut gehen!
    Herzliche Grüße von uns.
    dm und mb

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  6. Stefan Plank schreibt:

    Naja, wenn man in die Natur hinaus schaut und deren Organismen betrachtet, sieht man die biologisch adequate Reaktion auf die Kälte (Winterstarre/Winterschlaf…). Der Mensch scheint sich dieser biologischen Disposition entledigt zu haben. Und man wundert sich, warum man andauernd so müde und schlapp ist und ist zu dumm um es zu begreifen. Hab mich schon am 21. Dezember vertröstet, dass die Tage ab jetzt wieder länger werden! 😉

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  7. Sofasophia schreibt:

    ohweia, du arme. da dachte ich echt, dass wir schweizerInnen die meisterInnen im putzen sind, aber so was wie kehrwoche habe ich hier und überhaupt noch nie gehört.

    (ich habe ja – ausser als kind) immer in miethäusern gewohnt und war sogar selbst schon zweimal hauswartin, aber so was unhumanes ist mir in meinen ca. 20 wohnumgebungen doch noch nie begegnet. um die häuser herum wurde in meinem umfeld immer mit schippe geputzt (und die ist nicht laut), und vor allem sicher nicht VOR sieben. gut, der laubbläser war laut, aber das war immer tagsüber …).

    echt, du tust mir leid. gute erholung in der schweiz … 🙂

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    • rotewelt schreibt:

      Da siehst du mal, wie locker ihr Schweizer doch seid, was das Putzen betrifft! Aber in D ist es auch nirgendwo so schlimm wie in Baden-Württemberg! Danke, liebe Soso, bin heute gut erholt zurückge“kehrt“, haha! Nur die Strecke zwischen Bern und Basel war wieder mal überlastet, egal, der blaue Himmel und die Sonne wirken noch!

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  8. ts schreibt:

    Du Arme! In meiner Straße wird bei Schneefall ab 4 h mit extrem lauten, hochtourigen Fahrzeugen geräumt.
    Vorgestern Nacht kam die Berliner Stadtreinigung um 3 h und schrubbte den Gehweg sauber. Einfach so, ohne Schnee. Um 6 h wurden dann die Glastonnen geleert….
    Es müsste ein Nachtputzverbot geben!
    Ich hoffe du hast dich gut erholt in der schönen Schweiz!

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    • rotewelt schreibt:

      Na, da bist du wohl die Ärmere…?! Ich erinnere mich, du schriebst schon mal von der frühen Berliner Müllabfuhr – schlimm! Bin auch für ein Nachtputzverbot!
      Ja, danke, habe mich gut erholt in der Schweiz, bin endlich mal wieder Skigefahren, es war schön. Ich hoffe, dir geht es inzwischen besser?

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