Die Verrichtungsbox

Es war anlässlich der Fußball-Europameisterschaft 2009 in Deutschland, als ich zum ersten Mal den Begriff „Verrichtungsbox“ hörte. Und aus dem Staunen nicht herauskam. Weniger wegen des „Inhalts“, sondern der – vorsichtig formuliert – lakonischen Wortschöpfung.

Ich hätte die Verrichtungsbox ja gern zum Unwort des Jahres gekürt… Doch soviel ich weiß, kam es nicht in die engere Auswahl bzw. wurde nicht einmal vorgeschlagen. Das Unwort 2009 war „betriebsratsverseucht“ – auch nicht schlecht; es siegte vor „Flüchtlingsbekämpfung“, „Analogkäse“ und „Kopftuchmädchen“.

Aber zurück zu den Verrichtungsboxen. Schon vor vier Jahren wollte ich dazu etwas schreiben, doch da war ich noch nicht Bloggerin, und andere Foren bieten für solche Themen nicht immer das richtige Forum oder die passenden Leser, lach. Aber heute tauchte das Wort wieder auf, als ich im TV „Mona Lisa“ schaute. Und wie vor vier Jahren erschütterte es mich.

Verrichtungsbox…, das klingt nach Verrichten einer Notdurft, nach kleinem oder großem Geschäft, nach Dixiklo. Doch es geht ja auch hier um ein Geschäft, das Sexgeschäft, wie auch immer geartet. Und dafür bezahlt mann. Viel größer als die Dixiklos sind die zusammengenagelten Sexboxen nicht und sie stehen auch an genauso komischen unwirtlichen Orten.

Verrichtungsboxen

(Foto: Wikipedia)

In diesen eigens zum Fußball-Event aufgestellten Kisten bzw. sinnigerweise Latten-Zäunen standen oder lagen oder saßen Prostituierte (oder stehen und liegen oder sitzen immer noch, denn dieses Ereignis war ja keine Ausnahme) bereit für Männer, die im Rausch des von der Sportemotion hochwallenden Blutes oder einfach so mal schnell Dampf oder sonstwas ablassen wollten. Mann kann das durchaus auch als Verrichten einer Notdurft bezeichnen und dafür gibt es die Sexarbeiterinnen ja schließlich, heute auch mit Steuerkarte.

Und trotzdem… „Verrichtungsbox“, Verrichten von Sex…, was haben sich die Behörden da nur für ein Wort ausgedacht. Oder bin ich hoffnungslos naiv und/oder romantisch, dass ich das nicht zusammenkriege, Sex und „Verrichten“?

Anders gefragt: Brauche ich für das Verrichten einer „Notdurft“ einen anderen Menschen? Manche sagen, dafür bräuchte es lediglich zwei gesunde Hände. Oder so, räusper. Auch wenn’s nicht das Optimum ist. Aber ich will nicht aus-schweifen.

Die ersten Verrichtungsboxen gab es laut Wiki anscheinend in Utrecht. Wiki sagt auch: „Verrichtungsboxen sind Unterkünfte, die einer Garage ähneln und Prostituierten die Möglichkeit bieten, ihre Freier zu bedienen. Die Freier fahren mit ihren Autos in die Box, in der sie vor fremden Blicken geschützt Sex haben können. Es gibt auch Container für Freier ohne Auto. Oftmals werden Verrichtungsboxen durch sanitäre Einrichtungen für die Prostituierten ergänzt.“

Da kann ich nur hinzufügen: Garagenfirma! So hat Bill Gates doch auch angefangen, oder? A propos gates: Man könnte die Verrichtungsboxen doch mit Toren versehen, dann wird’s intimer.

Trotzdem, gibt es nicht schönere und spannendere Möglichkeiten? Ich hätte da schon Ideen… Noch dazu ohne Verrichtungs-Gedanken. Egal: Gute Nacht und frohes Schaffen (würde vielleicht der Schwabe sagen). Häusle baue, kleine schnuckelige Holzhäusle, Verrichtungsboxe, gleich ums Eckle, allüberall, mit Kehrwochenpflicht und Brezele, ganz bestimmt sauber wie geleckt!

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Noch eine Anregung für den ultimativen Verrichtungskick: Wie wäre es denn mit schwebenden Verrichtungsboxen in Mini(WC-)format? Angeblich ist Sex auf dem Flugzeugklo ja so überaus aufregend (jedenfalls im Film), also könnte man das ja hier simulieren, ein wenig wenigstens. Und Gérard Dépardieu hätte auch gleich sein Örtchen fürs kleine Geschäft und müsste nicht in eine Diktatur auswandern. Bei Putin darf er sicher sowieso ungestraft ins Flugzeug pinkeln und auch sonst überall hin. Ist BB eigentlich inzwischen auch nach Russland ausgewandert?

Wie auch immer: toitoitoi!

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13 Antworten zu Die Verrichtungsbox

  1. kreuzberg südost schreibt:

    Ha! Mit Verlaub: Sex und Romantik gehören ja nicht zwingend zusammen. Den Namen für die Boxen finde ich ganz passend. Erlaubt er doch den Sexarbeiterinnen, schon verbal, Abstand vom Verrichteten zu nehmen.
    Die toitoi-Idee erschent zunächst grandios. Wer soll aber nach Verrichtung des Geschäfts das Seil kappen?
    Lustige Idee, rotewelt!

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    • rotewelt schreibt:

      Schon klar, dass Sex und Romantik nicht unbedingt zusammengehören. 🙂 Nur wie soll ich’s formulieren? Mir ist auch bewusst, dass der Begriff Verrichtungsbox prima zur Sexarbeit passt. Aber mir gefällt er trotzdem nicht, auch wenn er die Realität widerspiegelt, weil mir die Realität nicht gefällt. Und für mich haftet Sex und Erotik immer noch ein Zauber inne.
      Das Kappen des Seils nach dem Geschäft, ach, das kann ja verlost werden, bei verbundenen Augen… 😉

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  2. Frau Blau schreibt:

    Verrichtungsbox … tausche ich nur einen Buchstaben aus, lese ich Vernichtungsbox, denn hier wird jede Illusion vernichtet, dass Liebe und Sexualität ein Paar wären …
    nein, mir gefällt das alles auch ganz und gar nicht- ein Zwiespalt öffnet sich in mir, wie immer wenn es um das Thema Prostitution geht … ich will jetzt nicht ausschweifen, aber ich denke doch auch, dass zwei Hände oder ein Hand der „Notdurft“ Abhilfe leisten könnte- mir gefällt gerade das Zusammenspiel von Notdurft und Notdurft … ich weiß, dass Männer anders ticken, und trotzdem erwarte ich, dass auch sie einmal erwachsen werden und nicht unbedingt eine Frau bräuchten, um sich abzureagieren. Denn etwas anderes ist es ja doch nicht! Da ist der Mensch noch immer Tier und genau das behagt mir nicht!

    Ich mag deinen Text sehr – danke dafür
    herzliche Grüße vom Berg ins Tal
    Ulli

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    • rotewelt schreibt:

      Ich überlege gerade, was man noch verrichten kann außer einer Notdurft: eine Arbeit. Dazu habe ich eine Wiki-Definition gefunden:
      „Unter Verrichten versteht man im Arbeitsstudium in der Regel die sichtbaren Bewegungen einer Arbeitsperson bei der Ausübung einer Tätigkeit. Bei einer Zeitstudie zählen zum Verrichten alle beeinflussbaren Ablaufarten. Sofern eine statische Muskelarbeit über einen von der Person zu beeinflussenden Zeitraum erfolgt, kann auch diese als Verrichten klassifiziert werden.[1] Diese Unterscheidung ist deswegen von Bedeutung, da nur für beeinflussbare Zeiten ein Leistungsgrad beurteilt werden kann.
      Das Verhältnis der Zeit für Verrichten zur Auftragszeit wird Verrichtungsgrad genannt.“
      Haha, passt doch gut in diesem Zusammenhang, lach mich schlapp!

      Danke für deine Einschätzung, Ulli! Es wäre doch schön, wenn sich auch Männer zu Wort melden würden, oder? 🙂 Doch wie auch immer: Arbeit und Notdurft sind die Schlüsselbegriffe.

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      • Frau Blau schreibt:

        ja, ich warte auch noch auf männliche Kommentare … 🙂
        die Wiki-Definition macht mich schwindlig und amüsiert mich- danke fürs rauskramen…

        der Zwiespalt für mich ist, dass ich erst einmal Prostitution vorurteilsfrei begegne, wenn ich dann aber die immer weitergehenden Verkaufsstrategien anschaue, die meistenteils aus einer großen Not heraus geboren werden, dann möchte ich k… dass Männer so schamlos sein können! Noch schlimmer finde ich das Geschäft mit den Kindern- ich kann es einfach nicht verstehen, nicht nachvollziehen -Punkt.
        Gerade sehe ich die verdreckten Dünen vor Roms Toren vor ir und in den Dünen afrikanische Frauen auf einem miesen Klappstuhl sitzen und auf Freier warten … nein, ich habe es nicht fotografiert – das nicht!

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        • rotewelt schreibt:

          Die Männer schweigen… Wie oft habe ich schon Männer gefragt, wie sie damit zurecht kommen, dass die Frauen es nicht machen, weil sie eben diesen Mann toll finden oder Spaß dabei haben, sondern ausschließlich fürs Geld. Doch komischerweise hatte keiner der Befragten Erfahrungen mit Prostituierten, hihi… Kindersex ist ganz übel, da bin ich sprachlos angesichts der gedankenlosen Männer, nein, Kinderschänder, denn das ist es doch, ob es gegen Geld oder in der Familie kostenlos geschieht.

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  3. cablee schreibt:

    Mir gingen die gleichen Gedanken durch den Kopf wie Frau Blau – Vernichtungsbox. So oder so: ich kannte bisher weder das Eine noch das Andere… 😉

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    • rotewelt schreibt:

      Tja, cablee, Manches bringt einen zum Staunen, ich habe das Wort mit großer Verwunderung aufgenommen vor vier Jahren und es will mir nicht aus dem Sinn.
      Interessant, dass du und Frau Blau die Assoziation „Vernichtungsbox“ hattet…, was wird da vernichtet? Illusionen vielleicht…

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  4. syntaxia schreibt:

    Die einen lassen Verrichtungsboxen bauen, die andere ganze Paläste (siehe unsere Stadt). Und das alles, weil wir in einer Männer herrschenden Gesellschaft leben. Offensichtlich haben diese nicht genug Fantasie und brauchen immer die fremde Haut dazu. Schade, dass es immer mehr wird und sich Frauen so verkaufen lassen müsse. Es sind ja nicht alle freiwillig in dem Job. Und besucht werden sie von mindestens 80% Ehemännern.
    Der Stellenwert des Abbaus männlicher Triebe, reicht mir entschieden zu hoch. Bis hin, dass männliche Psychologen sagen, der Mann muss sich in die Welt versamen und darf nicht nur bei einer Frau bleiben. Irgendwie ist mir das alles zu sehr in den Vodergrund gerückt und es wird zuviel dafür getan, dass Mann seinen Spaß hat, denn es wird schließlich nicht für Frauen soviel angeboten!

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    • rotewelt schreibt:

      Tja, aber offenbar gibt es diese Nachfrage – und schon sehr sehr lange – und es gibt Frauen, die diese „Dienstleistung“ anbieten, darunter auch viele freiwillige. Doch auch wenn für Frauen ebensoviel angeboten würde, würden wir es doch nicht in diesem Maße nutzen, jedenfalls ich nicht. Die Tatsache, dass es dabei nicht um mich ginge, dass diese Männer nicht mich meinen würden, sondern es nur für Geld täten, würde mir alles verderben.

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  5. karu02 schreibt:

    Wieder eine Wissenslücke geschlossen. Allerdings stimmt es nicht ganz mit der „sichtbaren Bewegung einer Arbeitsperson bei der Ausübung einer Tätigkeit“ überein, die Boxen sollen doch für Unsichtbarkeit sorgen, oder? Immerhin gibt es Boxen. In Sizilien habe ich bei ca. 40 Grad im Schatten die Frauen ohne Schatten an den Feldstraßen hocken sehen und mich gefragt, ob die klimatisierten Autos als „Boxen“ als Erleichterung empfunden werden.

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