Laufstall-Gedanken

Gerade sah ich im Blog von Vilmoskörte frisch gepflanzte Berliner Bäume, die von einem hölzernen Schutz umgeben sind, der mich spontan an einen Laufstall erinnert. Und dann passierte das, was manchmal passiert: Plötzlich machte ich mir über ein Wort Gedanken, über das ich nie zuvor nachgedacht habe. Und fand es äußerst seltsam, das Wort.

„Der Laufstall ist ein Begriff aus der Landwirtschaft, speziell der Milchviehhaltung und bezeichnet einen Stall, in dem sich die Nutztiere im Vergleich zur Anbindehaltung frei bewegen können.“ (Wiki)

Tierlaufstall(Bild: Wiki)

Dass man diesen Begriff auch für die „Einfriedung“ von Tieren benutzt, war mir gar nicht klar, aber genau daher kommt der Begriff ja, LaufSTALL. Wer ist bloß und wann auf die Idee gekommen, dieses Wort auch für die „Aufbewahrung“ von kleinen Menschen zu verwenden?

kinderlaufsstall

„Ein Laufgitter, auch Laufstall oder Gehschule, ist eine Abgrenzung für eine geschützte Spielfläche für ein Kleinkind.“

Natürlich kamen persönliche Erinnerungen hoch. Denn ich war ein freiheitsliebendes Kind, wollte nicht eingesperrt sein und auch nicht, dass mir Wände die Sicht verbauten. Schon mit drei Monaten brachte ich meinen Stubenwagen zum Umkippen, weil ich versuchte, mich aufzurichten. Später kletterte ich mit unten zugenähtem Strampelanzug – oder wie nennt man das, Schlafsack? – über das Gitter meines Kinderbetts, bevor ich laufen konnte (was mit zehn Monaten der Fall war, bloß autonom sein war wohl mein Motto), ich landete auf dem Nachttischchen neben dem elterlichen Bett, was dann noch öfter geschah, vor allem am Sonntagmorgen. Später dann ohne Schlafsack, ich erinnere mich noch an die kalte Glasabdeckung des Nachttisches, auf die meine Füße trafen, bevor ich mich ins Ehebett warf und zu meinem Vater unter die Decke kroch. Auch sträubte ich mich jeden Abend gegen das Einschlafen, kaum hatte meine Mutter mich hingelegt, rüttelte ich schon wieder stehend an den Stäben meines Gefängnisses, woraufhin die Mutter jedesmal mit einem Holzlöffel kam, den sie als Drohung ins Bett legte, so dass ich mich aus Angst vor Schlägen doch dafür entschied liegenzubleiben.

Damals gab es ja noch die hölzerne und recht geräumige Version des Laufstalls, ohne Boden und ohne Rollen, meiner hatte auch keine Kugeln als „Lern- und Spielelemente“. Ich hatte nie Lust, darin herumzusitzen, fühlte mich eingesperrt. So benutzte ich ihn tatsächlich als LAUFstall, also zum Laufen, und rannte mit dem sperrigen Teil durchs Zimmer, bis Möbel oder Wände mich stoppten. Mangels Rollen schob ich das Holz über den Holzboden, ich befürchte, das kam nicht so gut an. Mein Vater sagte immer, ich hätte Hummeln im Hintern. Verstehe gar nicht, dass ich heute so lange Zeit stillsitzen kann. Aber lange an einem Ort bleiben mag ich immer noch nicht.

PS: Die Deutschen sind doch ziemlich rustikal, was ihre Wortschöpfungen und -verwendungen angeht, Teutonen eben. In manchen anderen Sprachen klingt Laufstall viel netter, na ja, man kann sagen, dass das Kindergefängnis dort nur besser verkauft wird…
Englisch: Playpen (für Tiere heißt es exercise pen oder freestall)
Französisch: Parc à bébé
Spanisch: El parque

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13 Antworten zu Laufstall-Gedanken

  1. vilmoskörte schreibt:

    Stubenwagen ist aber auch ein schönes, mir bis dato noch nicht untergekommenes Wort.

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  2. Dina schreibt:

    In Norwegen sagen wir heute noch stue.:-)

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    • rotewelt schreibt:

      Ja, hier im Alemannischen auch, worauf ich netterweise gerade aufmerksam gemacht wurde – hatte ich gar nicht mitbekommen, kenne es selbst nur aus der Kindheit und auch nur von Nachbarn, meine Eltern benutzten das Wort nicht.

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  3. karu02 schreibt:

    Pass auf: Du markierst in diesem (und allen anderen Fällen) das Wort, welches zu dem Link führen soll, hier also Vilmoskörte, die url seines blogs hast Du vorher schon kopiert, jetzt gehst Du in die Leiste oberhalb Deines Textfeldes und klickst auf die Klammer, es öffnet sich ein Fenster, in welches Du die url einfügen kannst. Achtung, http sollte dann nicht zwei mal dort stehen. So verbinden sich Dein markiertes Wort problemlos mit der url.

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    • rotewelt schreibt:

      Danke, liebe Karu! Für die Arbeit nutze ich ein CMS und daher weiß ich im Prinzip, wie’s geht. So wie du es beschreibst, versuchte ich es hier auch immer, und trotzdem klappte es nicht. Mein WordPress spinnt aber sowieso, am Anfang jedes neuen Beitrags erscheint eine lange Liste von ascii-Zeichen, die ich immer erst löschen muss. Vielleicht ist was zerschossen…

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  4. Frau Blau schreibt:

    also Stube wird doch gerade hier im Alemannischen oft gebraucht – der Laufstall … ich sag nur: indiskutabel – mein Sohn muss sich darin wie du einst gefühlt haben, ich musste mich immer mit ihm hineinsetzen, sonst ging gar nichts, also schaffte ich ihn nach 3 Tagen ab- der Sohn entdecke die große Wohnküche und ich konnte spülen, kochen, feuern und was immer sonst noch so anstand …

    schon interessant, dass es auch der Viehhaltung entlehnt ist, wenn ich nun aber wieder an die Prämissen der schwarzen Pädagogik denke, finde ich es schon wieder schlüssig – UND grusig-

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    • rotewelt schreibt:

      Da siehst du mal, Ulli, dass hier nicht richtig integriert bin, dass ich das nicht wusste… 😉 Klasse, du deinem Sohn das Gitter erspart hast! Und, wo du es sagst, die Entlehnung aus der Vieh-HALTUNG passt zur schwarzen Pädagogik, stimmt…

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  5. Sofasophia schreibt:

    stubenwagen sagen wir auch bei uns in der schweiz. und laufgitter. dass du dich ans drinnensein noch erinnerst! ich war da auch drin, aber meine frühsten erinnerungen sind bis ca drei und da war ich dem teil längst entwachsen.
    krass, woran du dich noch erinnern kannst: kochlöffel und so.
    ein berührender artikel. bitte nicht löschen, gell!

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  6. WhiteHaven schreibt:

    Das Wort Stall < althochdeutsch Stal, ursprünglich "Standort, Stelle" zu indogermanisch St(h)el- "stehen machen, aufstellen" vermutlich eine Erweiterung von indogermanisch Sta- "stehen"
    Ich könnte mir vorstellen… vor-stellen hihihi… das so ein kleiner Mensch an den Stäben das aufstellen, also aufstehen, besser üben kann, als an der freien Luft… aber keine Angst… meine Tochter hatte keinen Laufstall und ich kann mich, wenn ich an meine früheste Kindheit zurück denke, auch an keinen erinnern…

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