Der Zufall wollte es, dass ich diese drei Einzelbilder zusammengefasst in einem Restore-Verzeichnis fand.* Ich machte die Aufnahmen zu unterschiedlichen Zeiten, in den Monaten März und Mai in Paris, bei Montmartre/ Métro Abbesses und am Medici-Brunnen im Jardin du Luxembourg. Ich finde, diese zufällig erhalten gebliebenen Fotos bilden eine Einheit.
Auf der Suche nach Orten und der verlorenen Zeit, die doch nicht verloren ist.
Eins
Besser ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Kopf
Besser die Taube in der Hand als auf dem Kopf
Etwas ist nicht immer besser als nichts
Doch lieber Taube als Spatz?
Zwei
Vergessenes
Laub des Herbstes
Oder frische Blätter
In falschen Maifarben
Stellen die Zeit auf den Kopf.
Kaum zittert der Spiegel
Verheilt, erste Risse
Aus Eisen das Gitter
Stabil und filigran
Die Säule wankt.
Drei
Lau ist der Maifeierabend, in Paris, Métrostation Abbesses. Unter der Mauer, unter dem Bild mit der Spruchblase, hüpfen und rollern kleine Mädchen, in gezähmter Wildheit – wie sie es in der Großstadt gelernt haben – durch den winzigen Park, grüner Salon für alle.
Auf der Mauer, unsichtbar unter dem Bild mit der Spruchblase, steht „Ich liebe dich“. In allen Sprachen. Und die elegante Dame auf dem Bild spricht dazu, irgendwie lakonisch, aber auch fatalistisch: „Aimer c’est du désordre… Alors aimons!” Ja, trotz allem Chaos, ist es nicht einen Versuch wert zu lieben, sogar mehrere?
Neben dem winzigen Park mit der Mauer und dem Bild mit der Spruchblase und den hüpfenden kleinen Mädchen darunter werden die Schatten länger. Die Frauen im Straßencafé, die heute nackte Arme und Schultern, Décolleté und manchmal sogar unbestrumpfte Beine zeigen, haben rote Ohren. Das Gegenlicht enthüllt auch feinste Flaumhärchen, die sich sonst den Blicken entziehen. Scheinbar zufällig werden Haarsträhnen zurückgestrichen und einladend Achseln gezeigt. Die Männer sind auf der Lauer, dort neben und unter den Worten auf der Mauer und verhüllen ihre Augen, damit sie besser schauen können. Wer weiß, was heute noch alles passieren mag.
———————–
*Immer noch ist unklar, ob meine Daten auf der defekten Festplatte gerettet werden können. Doch seltsamerweise haben einige Fotos der Vernichtung getrotzt. So fand ich unter Picasa ein paar wenige „Restore“-Verzeichnisse, darin befinden sich unter anderem Fotos von Katzen, der Côte d’Azur, von Venedig (nur die alten von eingescannten Fotos) und zu Paris gibt es einen Ordner über den Palais Royal, in dem aber nicht alle geschossenen Fotos überlebt haben, im Grunde fehlen die schönsten, die ich schon für einen Artikel rausgesucht hatte. Und dann überlebten diese drei Einzelfotos.
Die Reduktion lädt dazu ein, das Wenige, das kostbar geworden ist, zu schätzen, auch auszuschöpfen.
wie viel wir lernen dürfen – wenn wir offen dafür sind.
danke für die tollen bilder. ach, ich müsste auch mal wieder nach paris. wir haben einen freund dort. mal schauen.
schön auch die texte, die poems ebenso wie die impressionen zum dritten bild.
danke fürs teilen!
LikeLike
Ja, liebe Soso. Und herzlichen Dank zurück!
LikeLike
Danke für die schönen Einblicke, rotewelt!
LikeLike
De rien, cablee, für Ein-, Aus- und Durchblicke habe ich ein Faible! 😉
LikeLike
Wenn Du jemand Fotos gesendet hast, kannst Du um eine Kopiesendung bitten. So bekommt man wichtige Fotos zurück.
LikeLike
Gute Idee, lieber Kormoran, aber… sooo viele Fotos habe ich nicht versandt und was würde das schon ausmachen bei über 100 Gigabyte… Aber: gute Nachricht (mag es noch nicht glauben): Die meisten meiner Fotos können gerettet werden. Der Preis ist heiß.
LikeLike
Schön, dass du uns die drei hier gezeigt hast…
LikeLike
Und ein Fünftel meiner verlorenen Bilder war gestern Mittag auch schon gerettet, es geht voran! War eine Drohung, dass bald noch mehr kommen… 😉
LikeLike